AW: Icaro MastR
Hallo,
ich war die letzten Tage nicht untätig und konnte mir einige meiner offenen Fragen in Post #21 selbst beantworten.
Prinzipiell haben sich einige meiner dort gemachten Annahmen bestätigt, wobei ich die Wirkung der einzelnen Effekte nun anders gewichten würde.
Hauptursache für einen stabilen Spiralsturz sind nun, meiner Meinung nach, die G-Kräfte. Der Einfluss der Geschwindigkeit ist sekundär.
1. Kräfte in der Steilspirale:
Ich habe behauptet, dass die Geschwindigkeit und die G-Kräfte in der Steilspirale beim Ziehen stark zunehmen. Dagegen war „cooly“ der Meinung, dass die Kräfte beim Ziehen eher abnehmen sollten
(leider hat er diesen Passus im Nachhinein aus seinem Post gelöscht). Also Testflug letzten Mittwoch zur Klärung. Ergebnis: Wir haben beide recht! Wie das?
Ausgangspunkt war eine stabile Kurve, wobei die Schräglage so war, dass die seitliche Unterverspannung waagerecht ausgerichtet war (also ca. 35°), VG 50% gespannt. Der Körper befindet sich dabei mittig über der Basis etwa in Trimmposition. Aus dieser Lage habe ich langsam bis "zum Anschlag" gezogen. Und siehe da, es pfiff zwar ganz ordentlich aber von erhöhten G-Kräften war nicht viel zu spüren. Die Drehgeschwindigkeit blieb nahezu konstant. Auch die Steuerbarkeit war in keinster Weise behindert. Davon muss „cooly“ gesprochen haben. Ich war mir aber sicher, dass ich das schon mal anders erlebt hatte.
Also 2. Versuch:
Gleiche Ausgangslage, dann wieder voll ziehen, wobei ich mich aber auch voll zur Kurveninnenseite verschoben habe. Und da waren sie, die G-Kräfte! Hervorgerufen durch die nun zunehmende Drehgeschwindigkeit. Im Nachhinein logisch.
Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass selbst in dieser Lage trotz hoher G-Kräfte die Steuerbarkeit gewährleistet war. Ausleiten erfolgte problemlos durch Verschieben des
Körpers zur Basismitte und anschließendem langsamen nachlassen der gezogenen Position.
Dann noch ein dritter Versuch zur Klärung einer weiteren Ausleitvariante: Zustand wie im zweiten Versuch, voll gezogen, Körper voll auf der Kurveninnenseite. Jetzt aber nicht erst gegenlenken und dann Abfangen sondern umgekehrt. Aus dieser Position einfach dem Bügeldruck nachgeben und den Schwerpunkt nach hinten schieben (= dem Bügeldruck nachgeben). Holla die Waldfee! Den Versuch habe ich aber ganz schnell abgebrochen (durch erneutes Ziehen). Die G-Kräfte und Drehgeschwindigkeit nahmen extrem zu. Wahrscheinlich weil sich die G-Kräfte aus Kurvenflug und Abfangbogen addieren. Weitere Versuche haben dann gezeigt, dass die (seitliche) Steuerbarkeit trotzdem gegeben ist. Ich konnte mich auch in dieser extremen Situation problemlos seitlich zur Basismitte und darüber hinaus verschieben. Allerdings war dabei ein Aufbäumen des Drachens, trotz wieder voll gezogenem Steuerbügel, nicht zu verhindern. Mit Aufbäumen meine ich eine deutliche Abfangbewegung (= G-Kräfte) bei voll gezogenem Steuerbügel. D.h., mir war in dieser Situation eine Reduktion der G-Kräfte bzw. des Abfangens durch aktives Steuern nicht möglich!
Nachdem das nun geklärt ist, habe ich weitere Untersuchungen im "Virtuellen" durchgeführt.
Ich entwickle zur Zeit ein realistisches Drachenmodell für den Flugsimulator FlightGear. Die Steuerung erfolgt hierbei ebenfalls durch Simulation der Gewichtskraft-Steuerung. Die Geschwindigkeitspolaren entsprechen denen unserer Drachen und das Handling ist ebenfalls vergleichbar. Das Flugdynamikmodell basiert auf der Koeffizienten-Methode, d.h. ich schreibe die Koeffizienten für die 6 Freiheitsgrade (Auftrieb, Widerstand, Seitenkraft, Roll-, Nick-, und Giermoment) vor. Damit lassen sich alle wichtigen physikalischen Eigenschaften und Effekte, die unseren Drachen zu eigen sind, beschreiben. Kurz gesagt, dieses Drachenmodell bildet die Realität schon ziemlich gut ab. Ziel meiner Entwicklung ist eigentlich die Simulation von Tucks oder Trudeln. Aber genauso gut sollte diese zur Untersuchung von Steilspiralen taugen. Der Vorteil eines Simulators ist, dass ich alle interessierenden Größen wie Kräfte und Momente oder Fluglagen jederzeit zur Verfügung habe. Der Flugsimulator ist sozusagen mein privater DHV-Testwagen. Nur dass ich deutlich mehr Parameter messen kann.
Ich habe nun meine oben beschriebenen Flugversuche am Simulator wiederholt. Er zeigt genau dasselbe Verhalten des Drachens in der Steilspirale. Damit ist die Grundlage für die folgenden Experimente gelegt.
2. Abhängigkeit von Roll- und Giermoment von Geschwindigkeit und Belastung:
In einem ersten Schritt habe ich dem Modell ein zusätzliches Roll- und Giermoment hinzugefügt. Dies soll den Effekt des Auftunnelns einer Flügelseite mit offenen Clips beschreiben (also Auftriebsreduktion und Gieren in die Kurve) die Momentenbeiwerte wurden so gewählt, dass der Drachen im Normalflug zwar deutlich zur aufgetunnelten Seite zieht, aber dennoch voll steuerbar bleibt. Die Frage ist, ob bei hoher Geschwindigkeit das absolute Moment so groß werden kann, dass ein Ausleiten der Spirale unmöglich wird. Zu meiner Überraschung gelang es mir, den Drachen aus jeder Situation heraus problemlos abzufangen. Dazu bedurfte es selbst bei Höchstgeschwindigkeit nicht einmal voller Steuerausschläge.
Folglich muss noch ein anderer Effekt an der stabilen Steilspirale beteiligt sein. Es muss irgend etwas sein, was noch höhere Roll- und Giermomente erzeugt aber im Normalflug nur zu mäßigem Ziehen führt: G-Kräfte!
Wie in meinem vorigen Post beschrieben, sollte das Auftunneln umso stärker sein, je höher die G-Kräfte sind. Also habe ich die Höhe meiner beiden Momentenbeiwerte abhängig von den G-Kräften
vorgeschrieben, indem ich diese schlicht mit der aktuellen Normal-Beschleunigung multipliziert habe. D.h., im Normalflug (=1G) habe ich das gleiche Verhalten wie bisher, im stationären Schnellflug (auch 1G) ebenfalls. Erst beim Kreisen und Abfangen werden die Momente aufgrund der dabei herrschenden Normalbeschleunigung höher.
Bereits beim ersten "virtuellen" Testflug fand ich mich in einer stabilen Steilspirale wieder! Kaum eine Chance diese Auszuleiten. Bingo!
Alles verläuft nach Plan solange die G-Kräfte niedrig sind. Aber sobald diese zu wirken beginnen, sei es weil ich zu hohe Zentrifugalkräfte durch den Kurvenflug habe oder zu stark abfange, "frisst" sich der Drachen wieder in die Kurve. Mir ist es möglich, durch Ziehen und Gegenlenken den Kurvenflug/die Spirale komplett zu stoppen, aber das oben beschriebene Aufbäumen des Drachens
kann ich nicht unterbinden => Abfangbogen => G-Kräfte => mehr Tunnel => höhere Momente => die Spirale beginnt erneut. Absolut faszinierend! Es ist schwer in Worte zu fassen. Man muss es selbst im Simulator erlebt haben.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Untersuchung ist auch, dass die dafür nötigen G-Kräfte relativ niedrig sind, 2-3G genügen.
Was bedeutet das jetzt in Realität für unseren ausgeclipsten Drachen?
1. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass sich der Tunnel bereits bei 2G deutlich erhöht. Bei meinem ersten Post bin ich noch von ein paar wenigen offenen Clips ausgegangen.
2. Der von „BeKu“ beschriebene Querrudereffekt der hochstehenden Segelhinterkante kann nicht die Hauptursache sein, das dieser nicht von den G-Kräften abhängt.
3. Es gibt tatsächlich Situationen, bei denen das Ausleiten der Steilspirale unmöglich ist.
Wenn euch die Clips also in einem Flugzustand aufgehen, bei dem ihr euch bereits in einer Fluglage mit hoher Normalbeschleunigung befindet, habt ihr fast keine Chance mehr, der Spirale zu entkommen.
Die einzig richtige Reaktion wäre:
1. Sofort voll ziehen
2. So weit es nur geht gegenlenken
3. Wenn die Drehbewegung aufgehört hat, gaaaaanz gefühlvoll abfangen
Sollte die Drehbewegung nicht zu stoppen sein oder beim Abfangen wieder einsetzen, SOFORT die Rettung ziehen.
Einen Ratschlag bzgl. VG kann ich leider nicht erteilen. Zu Beginn der Steilspirale, wenn sich die G-Kräfte noch nicht vollständig aufgebaut haben, ist ein Lösen wohl sinnvoll, um die Asymmetrie zu reduzieren. Ich bezweifle jedoch, dass man in dieser Situation bereits realisiert hat, was überhaupt gerade los ist. Ein Lösen der VG bei hoher Geschwindigkeit (davon habe ich bei meinem Testflug Abstand genommen) kann kontraproduktiv sein. Mit Sicherheit wird das Aufbäumen dadurch deutlich verstärkt. Ob dann der Effekt der G-Kräfte (Verstärkung der Spirale) oder der Effekt der reduzierten Asymmetrie (Ausleiten der Spirale) überwiegt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Was mir noch aufgefallen ist:
Bei meinen realen Flugversuchen hat bei den hohen Geschwindigkeiten die Segelhinterkante geflattert. Was passiert eigentlich bei einem ausgeclipsten Flügel?
Eigentlich müsste doch dort die Segelhinterkante über die gesamte Spannweite flattern! Flattern bedeutet aber viel Widerstand und somit ein noch höheres Giermoment. Das Rollmoment wäre davon unbeeinflusst. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass durch das Flattern/Rütteln das Segel entlang der Segellatten wie auf Schienen nach vorne rutschen kann. Dies könnte die Tunnelbildung verstärken.
Auskunft hierüber können uns die diversen Videos geben. Deshalb noch einmal mein Appell, alle Videos zu veröffentlichen! Sowohl das Video vom Unfallpiloten, vom DHV-Testflug und vom Hersteller dürften Informationen enthalten, die das oben Beschriebene bestätigen, widerlegen oder weitere Details zur Erklärung beisteuern können. Auch ein Video von dem Tandem-Ausclipser wäre hilfreich (fliegen heutzutage noch Tandems ohne GoPro herum?).
So, ich denke, wir sind ein ganzes Stück weitergekommen. Ich möchte mich ausdrücklich für alle eure Beiträge bedanken. Jeder einzelne hat mich in meinen Überlegungen vorangebracht.
Gruß Profilpolare
Hallo,
ich war die letzten Tage nicht untätig und konnte mir einige meiner offenen Fragen in Post #21 selbst beantworten.
Prinzipiell haben sich einige meiner dort gemachten Annahmen bestätigt, wobei ich die Wirkung der einzelnen Effekte nun anders gewichten würde.
Hauptursache für einen stabilen Spiralsturz sind nun, meiner Meinung nach, die G-Kräfte. Der Einfluss der Geschwindigkeit ist sekundär.
1. Kräfte in der Steilspirale:
Ich habe behauptet, dass die Geschwindigkeit und die G-Kräfte in der Steilspirale beim Ziehen stark zunehmen. Dagegen war „cooly“ der Meinung, dass die Kräfte beim Ziehen eher abnehmen sollten
(leider hat er diesen Passus im Nachhinein aus seinem Post gelöscht). Also Testflug letzten Mittwoch zur Klärung. Ergebnis: Wir haben beide recht! Wie das?
Ausgangspunkt war eine stabile Kurve, wobei die Schräglage so war, dass die seitliche Unterverspannung waagerecht ausgerichtet war (also ca. 35°), VG 50% gespannt. Der Körper befindet sich dabei mittig über der Basis etwa in Trimmposition. Aus dieser Lage habe ich langsam bis "zum Anschlag" gezogen. Und siehe da, es pfiff zwar ganz ordentlich aber von erhöhten G-Kräften war nicht viel zu spüren. Die Drehgeschwindigkeit blieb nahezu konstant. Auch die Steuerbarkeit war in keinster Weise behindert. Davon muss „cooly“ gesprochen haben. Ich war mir aber sicher, dass ich das schon mal anders erlebt hatte.
Also 2. Versuch:
Gleiche Ausgangslage, dann wieder voll ziehen, wobei ich mich aber auch voll zur Kurveninnenseite verschoben habe. Und da waren sie, die G-Kräfte! Hervorgerufen durch die nun zunehmende Drehgeschwindigkeit. Im Nachhinein logisch.
Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass selbst in dieser Lage trotz hoher G-Kräfte die Steuerbarkeit gewährleistet war. Ausleiten erfolgte problemlos durch Verschieben des
Körpers zur Basismitte und anschließendem langsamen nachlassen der gezogenen Position.
Dann noch ein dritter Versuch zur Klärung einer weiteren Ausleitvariante: Zustand wie im zweiten Versuch, voll gezogen, Körper voll auf der Kurveninnenseite. Jetzt aber nicht erst gegenlenken und dann Abfangen sondern umgekehrt. Aus dieser Position einfach dem Bügeldruck nachgeben und den Schwerpunkt nach hinten schieben (= dem Bügeldruck nachgeben). Holla die Waldfee! Den Versuch habe ich aber ganz schnell abgebrochen (durch erneutes Ziehen). Die G-Kräfte und Drehgeschwindigkeit nahmen extrem zu. Wahrscheinlich weil sich die G-Kräfte aus Kurvenflug und Abfangbogen addieren. Weitere Versuche haben dann gezeigt, dass die (seitliche) Steuerbarkeit trotzdem gegeben ist. Ich konnte mich auch in dieser extremen Situation problemlos seitlich zur Basismitte und darüber hinaus verschieben. Allerdings war dabei ein Aufbäumen des Drachens, trotz wieder voll gezogenem Steuerbügel, nicht zu verhindern. Mit Aufbäumen meine ich eine deutliche Abfangbewegung (= G-Kräfte) bei voll gezogenem Steuerbügel. D.h., mir war in dieser Situation eine Reduktion der G-Kräfte bzw. des Abfangens durch aktives Steuern nicht möglich!
Nachdem das nun geklärt ist, habe ich weitere Untersuchungen im "Virtuellen" durchgeführt.
Ich entwickle zur Zeit ein realistisches Drachenmodell für den Flugsimulator FlightGear. Die Steuerung erfolgt hierbei ebenfalls durch Simulation der Gewichtskraft-Steuerung. Die Geschwindigkeitspolaren entsprechen denen unserer Drachen und das Handling ist ebenfalls vergleichbar. Das Flugdynamikmodell basiert auf der Koeffizienten-Methode, d.h. ich schreibe die Koeffizienten für die 6 Freiheitsgrade (Auftrieb, Widerstand, Seitenkraft, Roll-, Nick-, und Giermoment) vor. Damit lassen sich alle wichtigen physikalischen Eigenschaften und Effekte, die unseren Drachen zu eigen sind, beschreiben. Kurz gesagt, dieses Drachenmodell bildet die Realität schon ziemlich gut ab. Ziel meiner Entwicklung ist eigentlich die Simulation von Tucks oder Trudeln. Aber genauso gut sollte diese zur Untersuchung von Steilspiralen taugen. Der Vorteil eines Simulators ist, dass ich alle interessierenden Größen wie Kräfte und Momente oder Fluglagen jederzeit zur Verfügung habe. Der Flugsimulator ist sozusagen mein privater DHV-Testwagen. Nur dass ich deutlich mehr Parameter messen kann.
Ich habe nun meine oben beschriebenen Flugversuche am Simulator wiederholt. Er zeigt genau dasselbe Verhalten des Drachens in der Steilspirale. Damit ist die Grundlage für die folgenden Experimente gelegt.
2. Abhängigkeit von Roll- und Giermoment von Geschwindigkeit und Belastung:
In einem ersten Schritt habe ich dem Modell ein zusätzliches Roll- und Giermoment hinzugefügt. Dies soll den Effekt des Auftunnelns einer Flügelseite mit offenen Clips beschreiben (also Auftriebsreduktion und Gieren in die Kurve) die Momentenbeiwerte wurden so gewählt, dass der Drachen im Normalflug zwar deutlich zur aufgetunnelten Seite zieht, aber dennoch voll steuerbar bleibt. Die Frage ist, ob bei hoher Geschwindigkeit das absolute Moment so groß werden kann, dass ein Ausleiten der Spirale unmöglich wird. Zu meiner Überraschung gelang es mir, den Drachen aus jeder Situation heraus problemlos abzufangen. Dazu bedurfte es selbst bei Höchstgeschwindigkeit nicht einmal voller Steuerausschläge.
Folglich muss noch ein anderer Effekt an der stabilen Steilspirale beteiligt sein. Es muss irgend etwas sein, was noch höhere Roll- und Giermomente erzeugt aber im Normalflug nur zu mäßigem Ziehen führt: G-Kräfte!
Wie in meinem vorigen Post beschrieben, sollte das Auftunneln umso stärker sein, je höher die G-Kräfte sind. Also habe ich die Höhe meiner beiden Momentenbeiwerte abhängig von den G-Kräften
vorgeschrieben, indem ich diese schlicht mit der aktuellen Normal-Beschleunigung multipliziert habe. D.h., im Normalflug (=1G) habe ich das gleiche Verhalten wie bisher, im stationären Schnellflug (auch 1G) ebenfalls. Erst beim Kreisen und Abfangen werden die Momente aufgrund der dabei herrschenden Normalbeschleunigung höher.
Bereits beim ersten "virtuellen" Testflug fand ich mich in einer stabilen Steilspirale wieder! Kaum eine Chance diese Auszuleiten. Bingo!
Alles verläuft nach Plan solange die G-Kräfte niedrig sind. Aber sobald diese zu wirken beginnen, sei es weil ich zu hohe Zentrifugalkräfte durch den Kurvenflug habe oder zu stark abfange, "frisst" sich der Drachen wieder in die Kurve. Mir ist es möglich, durch Ziehen und Gegenlenken den Kurvenflug/die Spirale komplett zu stoppen, aber das oben beschriebene Aufbäumen des Drachens
kann ich nicht unterbinden => Abfangbogen => G-Kräfte => mehr Tunnel => höhere Momente => die Spirale beginnt erneut. Absolut faszinierend! Es ist schwer in Worte zu fassen. Man muss es selbst im Simulator erlebt haben.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Untersuchung ist auch, dass die dafür nötigen G-Kräfte relativ niedrig sind, 2-3G genügen.
Was bedeutet das jetzt in Realität für unseren ausgeclipsten Drachen?
1. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass sich der Tunnel bereits bei 2G deutlich erhöht. Bei meinem ersten Post bin ich noch von ein paar wenigen offenen Clips ausgegangen.
2. Der von „BeKu“ beschriebene Querrudereffekt der hochstehenden Segelhinterkante kann nicht die Hauptursache sein, das dieser nicht von den G-Kräften abhängt.
3. Es gibt tatsächlich Situationen, bei denen das Ausleiten der Steilspirale unmöglich ist.
Wenn euch die Clips also in einem Flugzustand aufgehen, bei dem ihr euch bereits in einer Fluglage mit hoher Normalbeschleunigung befindet, habt ihr fast keine Chance mehr, der Spirale zu entkommen.
Die einzig richtige Reaktion wäre:
1. Sofort voll ziehen
2. So weit es nur geht gegenlenken
3. Wenn die Drehbewegung aufgehört hat, gaaaaanz gefühlvoll abfangen
Sollte die Drehbewegung nicht zu stoppen sein oder beim Abfangen wieder einsetzen, SOFORT die Rettung ziehen.
Einen Ratschlag bzgl. VG kann ich leider nicht erteilen. Zu Beginn der Steilspirale, wenn sich die G-Kräfte noch nicht vollständig aufgebaut haben, ist ein Lösen wohl sinnvoll, um die Asymmetrie zu reduzieren. Ich bezweifle jedoch, dass man in dieser Situation bereits realisiert hat, was überhaupt gerade los ist. Ein Lösen der VG bei hoher Geschwindigkeit (davon habe ich bei meinem Testflug Abstand genommen) kann kontraproduktiv sein. Mit Sicherheit wird das Aufbäumen dadurch deutlich verstärkt. Ob dann der Effekt der G-Kräfte (Verstärkung der Spirale) oder der Effekt der reduzierten Asymmetrie (Ausleiten der Spirale) überwiegt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Was mir noch aufgefallen ist:
Bei meinen realen Flugversuchen hat bei den hohen Geschwindigkeiten die Segelhinterkante geflattert. Was passiert eigentlich bei einem ausgeclipsten Flügel?
Eigentlich müsste doch dort die Segelhinterkante über die gesamte Spannweite flattern! Flattern bedeutet aber viel Widerstand und somit ein noch höheres Giermoment. Das Rollmoment wäre davon unbeeinflusst. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass durch das Flattern/Rütteln das Segel entlang der Segellatten wie auf Schienen nach vorne rutschen kann. Dies könnte die Tunnelbildung verstärken.
Auskunft hierüber können uns die diversen Videos geben. Deshalb noch einmal mein Appell, alle Videos zu veröffentlichen! Sowohl das Video vom Unfallpiloten, vom DHV-Testflug und vom Hersteller dürften Informationen enthalten, die das oben Beschriebene bestätigen, widerlegen oder weitere Details zur Erklärung beisteuern können. Auch ein Video von dem Tandem-Ausclipser wäre hilfreich (fliegen heutzutage noch Tandems ohne GoPro herum?).
So, ich denke, wir sind ein ganzes Stück weitergekommen. Ich möchte mich ausdrücklich für alle eure Beiträge bedanken. Jeder einzelne hat mich in meinen Überlegungen vorangebracht.
Gruß Profilpolare
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