AW: Ausweichregeln
Witzigerweise unterliegen wir da alle dem gleichen Denkfehler: wir gehen automatisch zunächst davon aus, dass die anderen den Fehler gemacht haben. Zu einem nachgelagerten objektiven Neubewerten/Überdenken kommt es später meist gar nicht mehr - bestenfalls zu einer Selbstbestätigung aufgrund einer bewusst hervorgerufenen Erinnerung. Wir erinnern uns aber nicht so sehr an die Fakten, sondern an unsere Emotion - will heißen, wir erinnern und verstärken den Umstand, im Recht zu sein, und unser Hirn biegt die erinnerte Beobachtung passend zurecht (verstärkt also die Beobachtung, die das bestätigt, füllt Lücken mit künstlichen Erinenrungen auf, und blendet alle Wahrnehmungen aus, die ihm widersprechen). Sorry, aber so ist das menschliche Hirn einfach "verdrahtet" und wir sind viel weniger fähig, dagegen "anzudenken", als wir uns selber vormachen.
Das hat sogar drei gute Gründe. Erstens ist es in evolutionärer Sicht eher nachteilig, eine unter Stress getroffene Entscheidung (beliebtestes Beispiel "fight or flight") allzulange zu überdenken (und zwar davor wie auch danach) - also brennt sie sich viel stärker als die dazu führenden Informationen ein. Zweitens sind wir, wieder evolutionär, sehr kompetitiv gestrickt - sprich, zu "gewinnen" zählt mehr als jede rationale Abwägung, ganz besonders wenn zu der auch noch das Wohl anderer gehört. Wir können da zwar bewusst gegensteuern (nicht alle: ein Donald Trump zum Beispiel ist dazu nicht willens und in der Lage), aber unter Stress und Zeitdruck (wie in der Luft) bedarf es dazu schon langjährigen Trainings. Nicht im Fliegen, im Menschsein...
Und drittens stärkt es das Ego, sich im Recht zu wähnen. Das ist aber keineswegs bloß ein kleiner, ekliger Teil unserer Persönlichkeit, den zum Beispiel der fortgeschrittene Buddhist erfolgreich ausgemerzt hat (noch so ein beliebter Irrtum: man darf's ruhig behalten und wird es auch brauchen, nur sollte es tunlichst nicht die ganze Zeit die Kontroille haben ) - es macht, neben Unbewusstsein und Über-Ich, ein Drittel unserer Persönlichkeit aus, dem eine durchaus wichtige Aufgabe zukommt: es ist unser primärer Selbstverteidigungsmechanismus. Wenn wir uns unsicher fühlen (was guten Entscheidungen meist nicht zuträglich ist), springt es in die Bresche und vertritt sozusagen unser Eigeninteresse. Wer sich unsicher fühlt (was in der Luft zu einem gewissen Grad auf uns alle zutrifft, denn da gehören wir nun mal nicht hin), greift deshalb in dem Moment verstärkt darauf zu - sprich, er trifft "egoistische" Entscheidungen. Und wer sich generell gerade etwas unsicherer ist (das kann ein Charakterzug, aber z.B. auch bloß eine vorübergehende Verdauungsstörung sein), legt besonders großen Wert darauf, für andere erkennbar im Recht zu sein.
Kurzum: wir alle sind auf eine bisweilen extreme Wirklichkeitsverzerrung hin "programmiert", die zu durchbrechen ein lebenslanger Prozess ist. Was bedeutet: "die Anderen" haben weitaus seltener etwas falsch gemacht, als wir wahrnehmen und unsere eigene Erinnerung uns vorgaukelt. Immer gut, das im Hinterkopf zu haben
CU
Shoulders
Zitat von FliegenWilli
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Das hat sogar drei gute Gründe. Erstens ist es in evolutionärer Sicht eher nachteilig, eine unter Stress getroffene Entscheidung (beliebtestes Beispiel "fight or flight") allzulange zu überdenken (und zwar davor wie auch danach) - also brennt sie sich viel stärker als die dazu führenden Informationen ein. Zweitens sind wir, wieder evolutionär, sehr kompetitiv gestrickt - sprich, zu "gewinnen" zählt mehr als jede rationale Abwägung, ganz besonders wenn zu der auch noch das Wohl anderer gehört. Wir können da zwar bewusst gegensteuern (nicht alle: ein Donald Trump zum Beispiel ist dazu nicht willens und in der Lage), aber unter Stress und Zeitdruck (wie in der Luft) bedarf es dazu schon langjährigen Trainings. Nicht im Fliegen, im Menschsein...
Und drittens stärkt es das Ego, sich im Recht zu wähnen. Das ist aber keineswegs bloß ein kleiner, ekliger Teil unserer Persönlichkeit, den zum Beispiel der fortgeschrittene Buddhist erfolgreich ausgemerzt hat (noch so ein beliebter Irrtum: man darf's ruhig behalten und wird es auch brauchen, nur sollte es tunlichst nicht die ganze Zeit die Kontroille haben ) - es macht, neben Unbewusstsein und Über-Ich, ein Drittel unserer Persönlichkeit aus, dem eine durchaus wichtige Aufgabe zukommt: es ist unser primärer Selbstverteidigungsmechanismus. Wenn wir uns unsicher fühlen (was guten Entscheidungen meist nicht zuträglich ist), springt es in die Bresche und vertritt sozusagen unser Eigeninteresse. Wer sich unsicher fühlt (was in der Luft zu einem gewissen Grad auf uns alle zutrifft, denn da gehören wir nun mal nicht hin), greift deshalb in dem Moment verstärkt darauf zu - sprich, er trifft "egoistische" Entscheidungen. Und wer sich generell gerade etwas unsicherer ist (das kann ein Charakterzug, aber z.B. auch bloß eine vorübergehende Verdauungsstörung sein), legt besonders großen Wert darauf, für andere erkennbar im Recht zu sein.
Kurzum: wir alle sind auf eine bisweilen extreme Wirklichkeitsverzerrung hin "programmiert", die zu durchbrechen ein lebenslanger Prozess ist. Was bedeutet: "die Anderen" haben weitaus seltener etwas falsch gemacht, als wir wahrnehmen und unsere eigene Erinnerung uns vorgaukelt. Immer gut, das im Hinterkopf zu haben
CU
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