Gewitter-Charly?

[Bausparfuchs]

Hallo,

eine Frage an die Drachenfraktion:

Ist irgendeinem von euch ein Flieger (soll wohl nicht mehr leben) bekannt, der den Spitznamen "Gewitter-Charly" hatte? Falls ja, wo finde ich im Netz Infos darüber und seine Flüge?

Soll wohl jemand gewesen sein, der vor ner Gewitterfront "auf" der Böenwalze "davongeflogen" sein soll.

Kann mir da jemand näheres zu sagen?

Danke und Gruß


Jochen

[DGS9]

AW: Gewitter-Charly?

Bist du sicher mit "Charly"? Es gab einen "Gewitter-Max" - das war aber in den Anfängen der Segelfliegerei in den 30ern. Dieser hieß Max Kegel:

http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Kegel

Falls es aber jemand anders war tät`s mich auch interessieren....!

[Rhoenadler]

AW: Gewitter-Charly?

Hmm,

hab jetzt leider nicht das Buch von Uli Blumenthal "Perfektion im Drachenflug" greifbar.Da gibt es tatsächlich ein Kapitel, wo Streckenflüge an Gewitterfronten entlang als erfolgversprechend dargestellt werden..

So um 1980 rum muss wohl Ali Schmid ? von der schwäbischen Alb bis bei uns in die Gegend geflogen sein ( 160km )....

Extrem riskant sowas

Grüsse, Joe

[KaJo]

AW: Gewitter-Charly?

Mein damaliger Fluglehrer hat mir davon mal erzählt. Derjenige muss damit unglaubliche Strecken geflogen sein.
Einen konkreten Namen weiß ich aber nicht mehr bzw. hat er nicht genannt. Es muss jedenfalls wirklich jemanden gegeben haben, der auf diese fragwürdige Art und Weise Rekorde aufstellte. Es klang aber so als sei das jemand aktuelleren Datums und nicht aus den 80er.

[Geier]

AW: Gewitter-Charly?

Ich habe noch einige alte Segelfliegerbücher aus den 30er Jahren. Bekannt für solche Flüge war zum Beispiel auch Günther Groenhoff. Die sind damals an der Wasserkuppe vor einer anziehenden Gewitterfront gestartet. In den Anfängen des Segelfliegens hat man schon einiges gewagt.

Jochen

[El Zorro]

AW: Gewitter-Charly?

So um 1980 rum muss wohl Ali Schmid ? von der schwäbischen Alb bis bei uns in die Gegend geflogen sein ( 160km )....

Extrem riskant sowas

Auch nicht riskanter, als: " ... ich flieg noch schnell runter bevor die Walze da ist ..."

[Schreyvogel]

AW: Gewitter-Charly?

Hallo Jochen,

meinst du vielleicht den Gewitter-Ali ? Das war Ali Schmid, der leider am 15.9.1982 tödlich verunglückt ist (beim Probeflug mit einem UL-Prototypen). Seinen Namen hatte er, weil er mal kurz vor einer Kaltfront von seinem 200 Meter Hausberg (Messelberg) gestartet ist und sich 180 Km weit tragen liess. Er landete dicht vor der tschechischen Grenze (damals noch eiserner Vorhang). Es bestand während des Fluges mehrmals die Gefahr von der herrannahenden Front eingeholt zu werden. Also ein echtes Husarenstück.

[Bausparfuchs]

AW: Gewitter-Charly?

Naja, der von dem ich erzählt bekam, soll das exzessiv betrieben haben und nach einem Jahr dann bei einem dieser Flüge umgekommen sein. Aber ich weiss halt auch nix, habs nur in der FLugschule mal aufgeschnappt und wollte sehen, ob da vielleicht sonst jemand noch was von weiss.

[Michael Schönherr]

AW: Gewitter-Charly?

Hallo,

was "Schreivogel " schrieb ist sicherlich richtig.
Ich kann das noch ergänzen, weil ich damals mit dem Drachenhersteller Ali Schmid wöchentlich zusammen war und wir uns lang über den Flug und seine Folgen unterhalten haben.

Neben den lokalen Gewittern gibt es in unseren Breiten hin und wieder die ausgeprägte Gewitterfront, die z.B. von SW kommend in einer Ausdehnung von 100 km und mehr heranziehen kann, vergleichbar einer sehr langen Welle im Wasser.

Eine solche Front hatte Ali, es war wohl ein früher Nachmittag im Sommer 82, beim Hangfliegen am Messelberg abgewartet und sich mittragen lassen, weil er merkte dass die Luft vor der Front sehr ruhig war.

Natürlich war es ein Risiko, aber Ali hatte das Forschungfieber gepackt, er wollte die Luftverhältnisse auskundschaften. Er erzählte mir in welcher Entfernung von der Front es zu nieseln anfing und wo der ruhigste Aufwind (ohne Regen)war.
Dort flog er völlig beherrscht hin und her, wie beim ruhigen Hangsegeln. Er war ja nicht im Gewitter, sondern vor dessen Front. Ob das hunderte von Metern waren oder einige km kann ich nicht mehr sagen, ich glaube eher Letzteres.

So flog er mit der Eigengeschwindigkeit der Front immer weiter und hätte noch viel weiter gelangen können, wenn er nicht Angst bekommen hätte - nicht vor dem Gewitter, sondern vor einem Abschuss! Er sah nämlich nach einigen Stunden Flug Leuchtspurgeschosse bis über seine Höhe hinausfliegen und fürchtete, ein Luftziel an der Tschechischen Grenze, am Eisernen Vorhang abzugeben.

So suchte er sich eine fallende Luftschicht vor der Front aus und landete - beim Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz, wo gerade Probeschießen angesagt war.

Am Messselberg zuhause war er stundenlang vermisst worden, bekannt war die Lebensgefahr im Gewittrfug, und man musste mit dem Schlimmsten rechnen.

Als endlich das Telfon läutete, brach großer Jubel über den gut ausgegangenen Sensationsflug aus, über den vermeintlichen oder wirklichen Streckenrekord von knapp 200 km.

Ein unangenehmes Nachspiel gab es dann in der Zeitung, ich glaube, es war die, welche mit B anfängt. Da wurde die Sensation stichwortartig ausgebreitet. Am Schluss stand ungefähr folgendes: "Seither ist er bei den Drachenfliegen nur noch der Gewitter-Ali".

Das letzte war reine Dichtung, aber eine Millionen-Leserschaft ist fruchtbarer Boden für Legendenbildung, zumal Ali wenig später tödlich abstürzte, was auch überall durch die Presse ging.

Er ist aber nicht infolge erhöhter Risikobereitschaft abgestürzt, sondern weil er zur Vermeidung von Risiken eine der ersten offiziellen UL-Pilotenscheine machen musste und wollte, und dabei das für seinen Prüfungsflug vorgeschrieben, aber technisch unzulängliche Ul in der Luft zerbrach.

Nähers, soweit nicht schon bekannt, unter

http://www.m-schoenherr.de/Drachenfluggeschichte/Geschichte4/default.htm

Michael

[sollruchstelle]

AW: Gewitter-Charly?

Hallo Michael,

Danke für deine unschätzbare wertvolle Chronik des Drachenfliegens, die du ins Netz gestellt hast.

Pioniere werden später gerne von denen, die von der Pionierarbeit generiertem Wissen profitieren im besten Falle als Hazadeure ims schlimmsten Falle als Idioten dargestellt. Das ist sicherlich schade.

Ich denke, dass ein bewußtes Vorfrontabfliegen möglich allerdings mit höherem Risiko verbunden ist, je langsamer ein Fluggerät ist. Wie schon weiter oben geschrieben, ist diese Technik in der Geschichte des Segelfliegens bekannt aus einer Zeit in der die Segelflugzeuge ähnliche Leistung und Geschwindigkeit innehatten wie heute ein Atos.

Vielleicht waren die Piloten damals nicht nur naiver sondern auch mutiger...vielleicht war es aber auch gesellschaftlich weniger verdammenswert Risiken auch dann einzugehen, wenn man deren quantitaive Größe nicht kannte.

Wer weiß...

Danke für deine Webpage anyway...

beste grüße

[Baron Ekel von Ätzmolch]

AW: Gewitter-Charly?

Auch von mir n Dank an den Verfasser.

[zenzi]

AW: Gewitter-Charly?

Themen wie dieses und die sachlichen Beiträge wie zu diesem Thema machen das Forum immer wieder lesens-und erhaltungswert.
Danke dafür
Bernd