Turmloser Drachen

[czuelch]

Hallo Drachenflieger,

nach langer Flug-Pause wieder ziemlich angefressen vom Drachenfliegen, überlege ich (nackt 76 kg), einen Turmlosen zu kaufen. Fliege derzeit einen Thalhofer Reflex C1 (der mit der "Wölbklappe", 14 qm) und bin mit Handling und Steigleistung sehr zufrieden, wünsche mir aber mehr Gleitleistung. Mein Ideal wäre ein Drachen, der so gut steigt wie der C1, aber bei mittleren und höheren Geschindigkeiten (sagen wir 50 - 80 km/h) mit weniger Bügeldruck und besserem Gleiten geflogen werden kann. Die extremen Geschwindigkeiten (über 100 km/h) finde ich weniger interessant. Leichtgängiges Handling und zivilisierte Landeeigenschaften sind natürlich auch wichtig.

Meine Favoriten sind derzeit: Litespeed, Twister, Laminar. Probegeflogen habe ich noch keinen.

Freue ich über Eure Vorschläge.

Happy landings
Carsten.

[Konrad Lüders]

Hallo Carsten,
ein nagelneuer Drachen kostet ja eine Stange Geld, besonders die mit ohne Turm und dafür überall Mylar, vielleicht noch mit Carbon-Basis, damit er noch besser durch die Luft flutscht. Litespeed und Laminar MRX sind gerade der große Renner unter den Wettbewerbspiloten und in ihren Gleitleistungen sicher gleichwertig, siehe z.B. die Diskussion im Oz-Report 5/160 unter

http://www.davisstraub.com/OZ/.

Neben der Steigerung der Gleitleistungen wird auch ständig an sicherheitsrelevanten Details gefeilt. So verfügen diese neuen Drachen über Pitchcompensation. Bei gespannter VG stehen die Swivel tiefer, erzeugen weniger Widerstand und Bügeldruck. Fliegt man in turbulenter Luft, entspannt man den Flügel und die Swivel gehen automatisch nach oben.
Der neue Combat von Aeros hat ebenfalls einen solchen Pitchcompensator. Auch in der Gleitleistung wird er ganz vorn dabei sein. Das schlägt sich derzeit weniger in Top-Platzierungen aus, aber der Pilotenfaktor spielt ja auch eine große Rolle.
Der Preis allerdings auch (wenigstens für einen leistungsorientierten Hobbypiloten), sowohl für die Anschaffung (sparst beim Combat 2-2,5TDM), als auch den Unterhalt. Die beiden erstgenannten Typen sind da recht extensiv, manchmal denkt man, daß deren Ersatzteile vergoldet sein müssen... Der Combat hat dreigeteilte Flügelrohre, da kostet eine Beule 200-300DM. Frage dagegen mal beim W. Kaiser an, was ein neues Flügelrohr kostet, oder beim Moyes-Vertreter, da wirst Du staunen.
Ich bin bis vor einem Jahr einen Laminar ST geflogen und kam gut zurecht mit dem Vogel. Habe jetzt einen Stealth 3, also den Vorgänger vom Combat. Der ist etwas länger auf dem Autodach als ein Randbogengerät und etwas schwerer auf den Schultern (den zusätzlichen Muffen im Flügelrohr geschuldet). In der Luft geht er aber ganz leicht und beim Landen habe ich weniger Probleme damit als mit dem Laminar. Außerdem ist der Service gut.

Du hast ja noch genügend Zeit bis zum Frühjahr, also probiere mal alle Kandidaten in Ruhe durch.


Viel Erfolg dabei
Konrad

[czuelch]

Vielen Dank, Konrad, für die ausführlichen Tips!
Den Stealth / Combat hatte ich bisher noch nicht so auf der Rechnung, hört sich aber gut an, vor allem die guten Handlings- und Landeeigenschaften. Im nächsten Fly & Glide soll ja ein Test kommen. Und selbstverständlich geht probieren über Testberichte studieren. Habe ab nächster Woche Urlaub; da will ich versuchen, möglichst viele Geräte probezufliegen. Bin sehr gespannt, da völliger TL-Neuling.

Noch eine Rückfrage: Wie schwer ist schwer? Ich meine, wenn der Stealth mehr wiegt als ein Laminar ST (der meines Wissens auch nicht ganz leicht ist), dann ist er offenbar ein ordentlicher Brocken?! Und noch eine letzte Frage: Welchen Eindruck hast Du von der Verarbeitung des Stealth?

Nochmals danke!
Carsten.

[Konrad Lüders]

Die Verarbeitung bei Aeros-Geräten entspricht dem guten Standard der anderen führenden Hersteller. Das Material, also Rohre, Beschläge, Textilien, werden von Aeros importiert. Deshalb gibt es auch keine Probleme mit Ersatzbeschaffung. Der Zulieferer, der die Kohlefaserbauteile herstellt, wurde vor der Gütesiegelerteilung des Combat zertifiziert (nach Aussage der Firma Sunglide, dem Vertreter von Aeros in Deutschland). Habe auch keinerlei Beanstandungen an meinem Drachen und auch nichts negatives von anderen Stealth-Piloten gehört.
Das Gewicht des Combat beträgt laut DHV-Testbericht 38kg, ist also etwa 3kg schwerer als der Laminar 14 oder Litespeed 5. Nach Bericht des Herstellers http://www.aeros.com.ua/products/hg/combat.htm soll der Combat allerdings 36kg wiegen. Es gibt allerdings meist die Möglichkeit, bei der Bestellung unter verschiedenen Mylar-Sorten auszuwählen. Mein Laminar mit Dacron-Segel war jedenfalls spürbar leichter als der Stealth. Der Gewichtsunterschied resultiert aus den zusätzlichen Muffen wegen der dreifach geteilten Flügelrohre und daraus, daß ein recht schweres Mylar verwendet wird. Das bringt Vorteile im Schnellflug, da der Flügel sich dabei weniger verzieht. Das Gewicht ist natürlich nur am Boden von Nachteil. Nach den ersten Schritten beim Startlauf ist es vergessen.

Der Stealth ist sensibler als der Laminar ST. An der Winde muß ich beim Stealth stets 1/3 VG spannen, sonst bekomme ich ihn nicht zur Ruhe. Den Laminar habe ich stets ohne VG gestartet. Die meisten Piloten landen mit etwas gezogener VG. Das Handling ist verglichen mit dem Laminar unterschiedlich. Da mußte ich mich etwas umgewöhnen. Der Laminar nimmt rasch Schräglage auf, die Drehung um die Hochachse setzt aber nicht genauso schnell ein, so daß er erst mal in den Kreis schmiert. Das kostet Höhe. Man kann das aber durch genügend Fahrt beim Richtungswechsel vermeiden, Schräglage nicht abrupt, sondern gefühlvoll ändern, außerdem über den Steuerbügel einen Drehimpuls vermitteln. Der Stealth geht sehr gut in die Kurve, wenn man nach der Gewichtsverlagerung noch auf die Innenseite des Steuerbügels stützt, so, als wolle man die Aufhängung entlasten. Das habe ich erst nach einer Weile herausbekommen. Angenehm beim Stealth ist, daß man ihn bei schon vorhandener Schräglage durch Drücken beim Zentrieren noch richtig "herumwürgen" kann, ohne daß er gleich in den Kreis rutscht. Der Laminar verträgt das nicht.

Der Combat und die ganz neuen anderen Konkurrenten (falls Du Dir einen nagelneuen kaufen willst) fliegen sicher wieder ein bißchen anders als ihre Vorgänger. Neu für Dich ist in jedem Fall die Wirksamkeit der VG. Ich würde beim Probefliegen erst daran herumprobieren, wenn Du schon sonst ein gutes Gefühl für den Drachen hast. Am besten, die VG spannen, wenn Du noch langsam fliegst. Da ist der Druck auf dem Segel nicht so stark, die VG geht leichter und Du verreißt den Drachen beim Spannen nicht so leicht. Beim Stealth muß die VG schon gut gespannt sein, wenn Du schnell fliegen möchtest. Ansonsten schaukelt sich der Drachen auf und Du bekommst keine Ruhe rein. In dem Fall einfach Steuerbügel nachlassen. Das gilt auch für die anderen Hochleister. Gib Dich nicht mit einem Probeflug zufrieden, bzw. trachte nach ausreichender Flugzeit. Bei mir hat es recht lange gedauert, bis ich mit dem Stealth "warm" wurde.

Räder solltest Du natürlich dran machen, möglichst solche mit Luftbereifung. Das spart Geld für Steuerbügel. Besonders die von Moyes sind dabei nämlich gar nicht billig. Frage auch immer, was ein neues Flügelrohr und ein neues Kielrohr jeweils kosten.


Für Deinen Probeflug-Urlaub alles Gute und setz dann mal Deinen persönlichen Vergleichstestbericht hier ab.

Konrad

[czuelch]

So, nun will ich Euch noch den Ausgang berichten: Ich habe mich für den Twister von bautek entschieden. Ausschlaggebend war für mich in erster Linie das wunderbar leichte Handling, die sehr gute Leistung im langsamen und mittleren Geschwindigkeitsbereich sowie die Sicherheitsreserven (Stichwort SPS). Außerdem die Tatsache, dass der Hersteller von meinem Wohnort (Mannheim) in erreichbarer Nähe sitzt, und - nicht zuletzt - der attraktive Preis.

Auch ein in jeder Hinsicht sehr schöner Drachen ist der Litespeed; ebenfalls überraschend einfach zu fliegen und mit sicher herausragender Schnellflugleistung. Den Stealth/Combat probezufliegen habe ich nicht mehr geschafft; zu ihm kann ich also nichts sagen. Dasselbe gilt für den Laminar. Mir hat der Twister so gut "gelegen", dass ich mich jetzt entscheiden konnte.

bautek ist übrigens alive and kicking; die Internet-Seite ist inzwischen auch wieder online.

Happy landings!
Carsten.