Dumme Fehler beim Streckenfliegen

[Alpenkondor]

Da man nicht alle Fehler selber machen muss, hier ein Thread wo jeder seine Fehler die passiert sind, die zu einem Unfall, einer gefährlichen Situation, einem Absaufen oder der unnötigen Gefahr des absaufens führten.

Ich mach da mal den Anfang:
Im Schweizer Mittelland, Boden auf ~450m, Juli, Wolkenbasis ~1550m, 3/8 Cumulus. Nachdem ich aus dem Jura herausgeflogen bin gurke ich 20-30 Minuten auf ~750-600m herum bis ich nach langem Suchen einen guten steigenden Schlauch finde (3-3.5m/s integriert). Dieser trägt mich wieder hoch, auf 1300m schwächelt der Schlauch und wird durch die Windscherung verblasen. Dann verliere ich Depp bei etwa 1350m die Geduld und fliege weiter anstatt bis an die Basis hoch zu gehen. Die nächsten 3km gegen den Wind ist das noch gar kein Problem, da ich da im Geradausflug einen Nullschieber habe (dabei kein Steigen >0.5m/s). Ich erwarte am Ende des Nullschiebers die nächste gute Thermik, diese kommt natürlich nicht, ich suche aber nicht mehr Grossartig herum da das Wolkenbild hervorragend ist und ich noch gut Höhe habe und die nächste Wolke nah ist.
Dann gibt es einen kräftigen Spülgang und ich komme genau knapp zu tief um Anschluss zu finden (ich rieche schon den Harzduft aus dem Wald hochsteigen aber knapp kein steigen und zu tief um über des Waldgebiet weiterzufliegen, ohne zu riskieren im Wald zu landen, falls es nicht klappen sollte)

Ich habe natürlich geflucht wie ein Rohrspatz, mein Hauptfehler war, mich nach dem Lowsave zu sehr in Sicherheit zu wiegen und dann keine Geduld zu haben, maximale Höhe zu machen.

[FliegenWilli]

Also Ungeduld? Kenne ich bei mir (leider) auch

[Alpenkondor]

Also Ungeduld? Kenne ich bei mir (leider) auch

Es ist nichtmal eine generelle Ungeduld, wenn ich im Modus bin dass ich jetzt wieder hochkommen will habe ich eine riesige Geduld. Vielmehr mache ich immer wieder den Fehler, dass nachdem es eine Weile super lief, ich nicht umschalten kann in den Modus maximale Höhe tanken, steigen mitnehmen und auf sicher obenbleiben zu fliegen. Oft geht es ja auch gut wenn man ein bisschen übermütig voranfliegt, doch immer wieder versenkte ich mich so..
Ich arbeite an mir.

[m.a.r.t.i.n]

Da weiß ich ja garnicht wo ich anfangen soll. Ich halte es mal allgemein:
1) zu spät vom Gas gehen und dann in der Abendthermik zu aggressiv geflogen
2) Am Heimweg zwar den Plan noch zu verlängern, aber dann im Gleitwinkelbereich des Landeplatzes unbewusst wieder zu viel sportliches Risiko, weil keine Gefahr der Außenlandung
3) Bei Vortasten aus niedrigem Gelände in die Hohen Berge die gedankliche Mindesthöhe nicht nachgezogen. (1500m sind im Flachland sehr hoch, aber wenn der Talboden auf 800m ansteigt, nicht mehr so hoch)
4) Zu wenig Bereitschaft von der direkten Linie ab zu weichen, sei es eine Sinkzone aus der man schnell raus muss, oder ein Sonnenfenster, das nicht am Weg liegt, aber notwendig ist.
5) Zu viel Vorbereitung - das heißt sich eine Flugroute einprägen, und sich dann im Flug zu sehr darauf versteifen anstatt anhand der aktuellen Wetter/Wolkensituation zu entscheiden.
6) Versucht schnell zu fliegen. Besser ist versuchen richtig und konzentriert zu fliegen. Das heißt permanent das beste Steigen rauskitzeln, gute Linien finden, passende Vorfluggeschwindigkeit wählen.

Ich führe schon lange ein Flugbuch in Form einer Google Tabelle, wo ich die lessons learned in "mental/taktisch", "Flugtechnik", "ortspezifische Erkenntnisse" und "Sicherheit" unterteile. Ich denke das hilft um nicht immer nur die Erkenntnisse aus den letzten Flügen parat zu haben, und zu lernen.
Die Idee, diese Erkenntnisse zu teilen, finde ich super. Die Frage ist, ob das Forum der beste Ort dafür ist. Am Besten wäre das direkt im Onlinecontest zum jeweiligen Flug dazu zu schreiben.. Zumindest die Ortspezifischen Erkenntnisse.
"mental/taktisch" und "Flugtechnik" geht hier auch gut.
lg

[Koerzl]

Bei meinem ersten Mölltal Dreieck Versuch vor einigen Jahren hab ich ab der hälfte, an den wichtigen Stellen, nicht mehr bis an die Basis gekurbelt, da es mir dann teilweise zu sportlich war bzw es mich mental zu viel gefordert hat, danach wurde ich vom hoch reichenden Talwind schön langsam gefressen.

Vor 2 1/2 Wochen hatte ich dann mal wieder Lust drauf und alles bis an die Basis ausgekurbelt, mit Erfolg.

[Alpenkondor]

4) Zu wenig Bereitschaft von der direkten Linie ab zu weichen, sei es eine Sinkzone aus der man schnell raus muss, oder ein Sonnenfenster, das nicht am Weg liegt, aber notwendig ist.
5) Zu viel Vorbereitung - das heißt sich eine Flugroute einprägen, und sich dann im Flug zu sehr darauf versteifen anstatt anhand der aktuellen Wetter/Wolkensituation zu entscheiden.

Mir passiert oft das Gegenteil, ich bin unvorbereitet und improvisiere nur in der Luft, das führt zwar dazu, dass man gut Möglichkeiten nutzen kann die sich spontan ergeben, doch auch dazu, dass ich mich in der Luft umentscheide und nie richtig entschlossen bin bei dem was ich tue. Dies führt zu einem weiteren Problem: Bin ich nicht entschlossen, so sinkt meine Motivation in der Luft schnell und es kommt mir turbulenter vor, als es ist und mir vergeht die Lust wenn es anhaltend rumbockt. Bin ich hingegen überzeugt von meinem Plan, so bin ich mental viel resilienter und halte viel mehr aus und komme auch oft dorthin, wo ich es mir vorgenommen habe.

[Lex]

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Ich führe schon lange ein Flugbuch in Form einer Google Tabelle, wo ich die lessons learned in "mental/taktisch", "Flugtechnik", "ortspezifische Erkenntnisse" und "Sicherheit" unterteile. Ich denke das hilft um nicht immer nur die Erkenntnisse aus den letzten Flügen parat zu haben, und zu lernen.
Die Idee, diese Erkenntnisse zu teilen, finde ich super. Die Frage ist, ob das Forum der beste Ort dafür ist. Am Besten wäre das direkt im Onlinecontest zum jeweiligen Flug dazu zu schreiben.. Zumindest die Ortspezifischen Erkenntnisse.
"mental/taktisch" und "Flugtechnik" geht hier auch gut.
lg

Ist auch mein Zugang - und drum möchte ich meine Analysen seitens Wetter und Flugtechnik aka "Lessons Learned" auch wieder mal beisteuern:
In einem Google-Spreadsheet arbeite ich meine Erkenntnisse seit 2008 konsequent ein.
Wenn jemanden Bewerbe und zugehörige Taktik/Technik-Aspekte nicht interessieren, einfach in der Spalte XC/Race nach "XC" filtern. Links zu Bildbeschreibungen der Situationen sind auch meist eingearbeitet...

Vielleicht ist ja für euch das eine oder andere Nützliche dabei und befruchtet das Fliegerhirn in der Winterszeit. 😃
https://docs.google.com/spreadsheets/d/1LRIJxobUNXdl3l1DfK2TQkRZt0GmHQJAUe0z1Yb5AOY

[Michael Buck]

Hallo Lex,

ein herzliches Dankeschön dafür! Ab und zu finden sich doch noch echte Perlen in diesem vielgescholtenen Forum.

LG, Michael

[Alpenkondor]

Danke für die spannende Tabelle.

Ich habe mich teils wiedererkannt
"Auch in ruppigen Bärten Höhe machen" wie oft ich mir damit Baustellen eingebrockt habe mit Bart auslassen, ich bin und bleibe ein Weichei...

[Willi Wombat]

Einer meiner größten Fehler ist es, an einer guten oder strategisch wichtigen Stelle zu früh wegzufliegen, weil das Steigen gerade eben aufhört. Gerne später am Tag.
Ich komme dann in Stress, weil ich fürchte, die Maximalhöhe schon erreicht zu haben und es jetzt nur noch schlechter werden kann.
Später sehe ich dann oft im OLC, dass einer an der selben Stelle sogar eine oder zwei Stunden später die entscheidenden Meter gemacht hat, während ich schon am Boden stehe.

Steigen verliert man eben manchmal, es pfeiffen Boen durch oder es ist einfach kurz Pause. Auch Abschattungen gehen oft schneller wieder auf wie zuerst gedacht.
Hier muss ich klarer analysieren, was noch gehen kann und auch unter Höhenverlust eher mal in Ruhe einparken und nachdenken.

Ein zweiter Fehler passiert mir auch immer wieder.
Ich kurble zäh in schwierigen Bedingungen und sehe, wie seitlich unter mir ein Kollege eindreht.
Anstatt mich sofort oben auf ihn drauf zu setzen und auf seine stärkere Blase zu warten schaue ich in schlechterer Luft zu, wie er an mir vorbeisteigt und wenn ich dann hinfliege ist die Blase mit ihm durch und ich sinke dahinter weg.
Wenn jemand besser steigt: SOFORT hinfliegen, nicht träumen!

Dritter Fehler:
Aus Angst vor dem Lee bleibe ich zu sehr auf der Luvseite eines starken, über dem Grat windversetzten Bartes.
Dadurch ist meine Steigleistung schlechter.
Allerdings ist es noch schlechter auf der Leeseite rauszufallen und nur mit viel Höhenverlust und Stress wieder ins Steigen zu kommen.

Vierter Fehler:
Ich interpretiere Boen immer noch zu oft als echtes Steigen und erkenne Leeturbulenzen hinter einem Thermikschlauch nicht sicher genug als Hinweis auf die Thermikposition.

Fehler oder Vorsicht?
Anstatt im Windschatten einer Geländekante gegen den Wind Strecke zu machen fliege ich aus Sicherheitsgründen weg von Lee und Gelände und muss somit mehr Gegenwind und oftmals sogar stärkere Turbulenz ertragen.
Typisches Beispiel ist in Annecy die erste Querung vom Col de la Forclaz zu den mittleren Zähnen richtung Talloires.
Fast jeder fliegt da unbeschadet im Lee der steilen Felswände vor und dreht sogar auf, während ich weiter draussen gebeutelt werde.

[m.a.r.t.i.n]

3) Bei Vortasten aus niedrigem Gelände in die Hohen Berge die gedankliche Mindesthöhe nicht nachgezogen. (1500m sind im Flachland sehr hoch, aber wenn der Talboden auf 800m ansteigt, nicht mehr so hoch)

Ich habe wohl Punkt 3 noch nicht so ganz verinnerlicht. Dafür ist noch ein learning dazu gekommen:

An auch guten Tagen, an denen es einfach geht niemals den Respekt verlieren!

Vielleicht hilft mir mein neues Video ja beim Verinnerlichen:

lg
Martin