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Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

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    Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

    Hallo,

    ich hatte das Thema im EM Krushevo Thread angeschnitten, wollte diesen aber nicht weiter zerfleddern. Weil ich selbst den einen oder anderen kleinen Wettbewerb mitfliegen will, interessiert mich das Risikomanagement im Wettbewerb generell.

    Mir ist klar, dass im Wettbewerb für den Erfolg (kleinere) kalkulierbare Risiken in Kauf genommen werden (müssen), die man sonst lieber vermeidet. Im Beispiel des Videos von Phillipe Broers aus dem EM-Thread eine Rückenwindlandung (nicht dramatisch, aber wenn Philippe die Chance gehabt hätte, wäre er sicher auch lieber gegen den Wind gelandet). Oder ein suboptimaler Startplatz, an dem man aber unbehindert von anderen raus kommt. Oder ein bisschen mehr Gas als man sich sonst in bewegter Luft traut. Wenn es erkennbare Risiken sind, kann man für sich abzuwägen und sie ggf. bewusst eingehen. Oder man lässt es eben. Ich denke das ist o.k.

    Speziell für einen Wettbewerbseinsteiger sehe ich aber als größtes Problem, dass er in der Wettbewerbssituation Risiken nicht erkennt, für ihn und seinen Könnensstand objektiv (zu) groß sind, sei es aus Mangel an Erfahrung und/oder im Überschwang des Wettkampfes. Wie JN in einem anderen Thread sinngemäß geschrieben hat, ein Lee bleibt ein Lee auch wenn 100 Piloten gemeinsam hineinheizen. Nur dass bei Wettbewerben viele Leute mitfliegen, die es können. Die, die es nicht können, haben dann aber ein dickes Problem. Dies gilt teilweise ja auch für das Streckenfliegen.

    Für mich persönlich stellt sich die Frage, wie stelle ich sicher, dass ich trotz der Herausforderung, den Task gut zu fliegen, mein individuelles Risikomanagement nicht vernachlässige und nichts übersehe. Z.B. bei meinem bisher einzigen Wettbewerb letztes Jahr auf der Paragliding Challenge in Greifenburg wurde ein Task wegen Überentwicklung gestoppt, nicht all zu lange nachdem ich im Ziel war. Ich hatte dies während meines Flugs selbst nicht wahrgenommen, obwohl es vom Boden eindeutig erkennbar war und dazu auch noch über den Lienzer Dolomiten Gewitterwolken standen. Nun hat die Paragliding Challenge dank der Betreuung durch Ferdi und Marc optimal sichere Rahmenbedingungen geboten und hat gewissermaßen im "Goldfischglas" stattgefunden. Aber eigentlich habe ich für mich den Anspruch, kritische Wettersituationen immer selbst zu erkennen, was dort wegen der Konzentration auf die Wettkampfaspekte nicht funktioniert hat.

    Ich würde von erfahreneren Wettbewerbsfliegern gerne wissen, wie sie das managen, oder in ihrer Anfangszeit gemanaged haben? Geht alles über Erfahrung? Oder Talent?
    Würde eine "virtuelle Checkliste", die im Kopf periodisch abgeprüft wird, Sinn machen? À la
    • Aktuelle Windrichtung und Stärke noch so, wie zuletzt im Kopf abgespeichert?
    • Potentielle Leefallen im Flugweg?
    • Wetterentwicklung nicht nur in Flugrichtung?
    • Notlandeplatz in Reichweite?
    • Genug getrunken und gegessen?
    • Noch frisch genug, um das Rodeo im nächsten Bart anzugehen?
    • ...

    Ich könnte auch die Antwort akzeptieren: "Wenn du das noch nicht voll im Griff hast, lass es sein".

    Wäre nett, wenn ihr eure Erfahrungen und Meinungen mit mir teilt.

    LG, Michael

    #2
    AW: Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

    Nach drei oder vier Wettkämpfen habe ich es sein lassen, da ich beim Fliegen andere Dinge mehr schätze, als die Geschwindigkeit. Ich gehörte dabei eher zu den Piloten im Mittelfeld. Die Fragen die Du Dir stellst, sind sehr Sinnvoll.
    An Deiner Stelle würde ich mir die Tücken des Task für die langsameren Piloten gut anschauen. Beim Serial Cup in Slowenien war z.B. mal ein Task so gesetzt, dass er für die schnellen Piloten überhaupt kein Problem darstellte. Ab dem Mittelfeld kamen die Piloten aber hinter dem Krn schon ordentlich ins Talwind-Lee und die Bedingungen wurden sehr Anspruchsvoll. Es gab einen Unfall mit Krankenhausaufenthalt. Ich hab mich durchgekämpft. Die Frage ob es nicht klug gewesen wäre, landen zu gehen, wäre aber sinnvoll gewesen.
    Aber mit dem richtigen Risikomanagement kann man beim Wettbewerbsfliegen viel lernen. Also viel Spaß beim Wettkampf.

    Tommi
    Zuletzt geändert von tommi; 16.08.2016, 08:06.

    Kommentar


      #3
      AW: Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

      Hallo Michael,
      ein gutes Thema was Du da ansprichst.
      Der Herdentrieb und der Ehrgeiz der Gruppe zu zeigen, dass man besser ist, ist ein Urinstinkt der tief in uns drinnen steckt.
      Er war bzgl. der menschlichen Evolution vmtl. einmal ganz nützlich, weil er bei der gemeinsamen Jagd nach dem lebensnotwendigen Fleisch half, die eigenen Ängste besser zu unterdrücken und daraus insgesamt eine erfolgreichere Jagdgemeinschaft zu formen.

      Beim Gleitschirmfliegen ist dieser Gruppenzwang besonders gefährlich, da er schneller mal tödlich enden kann.

      Ich fliege keinen Wettkampf sondern nur Strecke und kann dabei klar bestätigen, je größer der Pulk ist, umso riskanter wird auch geflogen.

      Am gefährlichsten finde ich dabei das konturnahe Vollgasfliegen. Wie da teilweise mit geringstem Abstand zu den Felswänden lustig in den Beschleuniger getreten wird, kann man manchmal kaum noch glauben. Ich war bei meinem letzten Flug Zeuge von einem riesigen Vollgasklapper in einem Leebereich. Der Pilot verlor über 100m bis er seinen Schirm wieder im Griff hatte. Er hatte in diesem Fall ca. 400m Luft nach unten, somit ist ihm zum Glück, außer vmtl. einem erhöhten Adrenalinspiegel, nichts passiert.

      Das Fliegen bei grenzwertigen Wetterbedingungen ist fast genau so gefährlich. Da nimmt der Wind immer weiter zu, da regnet es schon aus den riesigen Überentwicklungen heraus, trotzdem fliegt ein großer Teil weiter, bis wegen den Abschattungen, dem Wind, dem Regen, es wirklich nicht mehr geht oder man mogelt sich trotzdem noch irgendwie darum.
      Bei meinem letzten Flug waren die Überentwicklungen noch im Rahmen, da örtlich deutlich begrenzt, da war es durchaus legitim zu versuchen sich daran noch vorbei zu mogeln, was dann auch ca. die Hälfte versucht hat. Ich bin da eher ein vorsichtiger Mensch und kann dann den Wettkampfmodus dann ausschalten und habe den Streckenflug abgebrochen, indem ich von der Front wegeflogen bin und mir einen guten Landplatz in der Nähe einer Stadt gesucht habe. Denn gerade das Wetter ist bei solchen Konstellationen unberechenbar und in sehr kurzer Zeit ist eine noch gut beherrschbare Situation plötzlich nicht mehr beherrschbar, da speziell unsichtbare Fallwinde aus solchen Wolken schnell zuschlagen können oder die Überentwicklungen sich zusammenschließen.

      In Lees zu fliegen kann man beim Streckenfliegen leider nicht ganz vermeiden, da man sonst an einigen Stellen gar nicht weiterkommt. Aber auch hier merke ich an mir selbst, dass ich in der Gruppe häufig eine schnellere aber dafür riskantere Linie mitgehe, als wenn ich alleine unterwegs wäre.
      Natürlich gehört auch viel Erfahrung und viele Flugstunden dazu von vorne herein zu wissen wo die Lees überhaupt sind.

      Eine weniger gefährliche aber dafür umso unsportlichere Begleiterscheinung ist das Wolkenfliegen, und gehört leider (wie ich bei meinem letzten Flug wieder einmal erleben musste) auch zu diesem Wettkampfmodus dazu. Das macht (absichtlich) aber zum Glück wirklich nur eine sehr kleine Minderheit.

      Das Wettkampfliegen hat gegenüber dem Streckenfliegen den klaren Vorteil, dass eine "gute" Wettkampfleitung viele Gefahrensituationen schon von vorne herein verhindern kann.
      Indem z.B. die Routen möglichst leefrei gelegt werden und bei grenzwertigem Wetter rechtzeitig abgebrochen oder erst gar nicht gestartet wird. Beim Streckenfliegen ist jeder seine eigene Wettkampfleitung.

      Es ist glaube ich vor allem eine Charaktersache und auch eine Frage des Alters und des Geschlechts (Testosteronspiegel), wie weit man diesen oben erwähnten Urinstinkten dann widerstehen kann.
      Der beste Pilot ist aus meiner Sicht derjenige, der trotz guter Flugleistungen sein ganzes Fliegerleben immer unfall- und retterabgangsfrei geblieben ist. Es geht bei allen Wettkampfformen des Gleitschirmfliegens eigentlich um nichts und das ist definitiv kein Menschenleben wert.

      Gruß Jörg

      Kommentar


        #4
        AW: Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

        Ich denke, alle "sportlicher" betriebenen Disziplinen des Gleitschirmfliegens haben ihre eigenen Risiken, sei es das XC-Fliegen, die zentralen Wettbewerbe ("Wettkampffliegen") oder das Acrofliegen. Von letzterem habe ich wenig Ahnung, aber das Wettkampffliegen und das XC-Fliegen betreibe ich gleichermaßen und kann daher ganz gut vergleichen. Schön, dass mit meinem Namensvetter schon ein "reinrassiger" XC-Crack geantwortet hat und damit eine gute Vergleichsbasis bietet.


        Vorab noch zwei generelle Punkte:

        - Die allerwichtigste Aussage wurde auch schon getroffen und dürfte eh jedem klar sein: Die Gefahren liegen nicht im Wettkampffliegen an und für sich, sondern im Umgang des Einzelnen damit.

        - Generell glaube ich nicht, dass das Wettkampffliegen besonders gefährlich ist. Aus meinem Vergleich heraus würde ich sogar sagen, dass unterm Strich das allseits beliebte XC-Fliegen eher gefährlicher ist. Gründe dafür hat Jörg ja schon aufgezählt. Allein an den beiden letzten guten Streckentagen, an denen ich unterwegs war (am 21. Mai an der Grente und letzten Sonntag in Fiesch) waren jeweils ungefähr so viele Piloten wie an einem Wettkampf gemeinsam auf Strecke (100-200). An beiden Tagen ist leider jeweils ein Pilot im Streckenpulk tödlich verunglückt. Die letzten tödlichen Unfälle im Wettkampf sind hingegen schon Jahre her. Auf der anderen Seite gibts in Wettkämpfen öfter mal einen Retterabgang, beim XC-Fliegen fast nie. Aber ist das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen? Im Wettkampf werden eher höher klassifizierte Geräte geflogen und die Leute sind da vielleicht schneller mit dem Retter, als beim XC-Fliegen, wo manche denken "ich hab ja nen braven B-Schirm, der wird schon aufgehen". Vielleicht hätte der von Jörg aufgeführte Pilot mit dem riesigen Klapper am Sonntag in Felsnähe im Wettkampf den Retter gezogen? So hat er einfach Glück gehabt. Vielleicht hätte auch der Pilot, der am Sonntag in Fiesch hunderte Meter abspiralt und tödlich eingeschlagen ist, den Retter im Wettkampf früher gezogen? Ich weiß absolut nicht, warum es so ist, aber mir ist es lieber, wenn ab und zu mal einer unverletzt am Retter runterkommt, wie wenn ab und zu mal einer einschlägt. Vielleicht ist der Retter bei Wettkampfpiloten einfach generell eher im Kopf präsent (weil man ab und an einen sieht und so "lernt", dass die Piloten damit immer überleben).


        Nun aber zum Risiko im Wettbewerb. Grundsätzlich sind folgende Sicherheits-Voraussetzungen gegeben:

        - Tasksetting:
        Im Wettkampf fliegt man weitaus weniger oft in irgendwelchen Lees rum als beim XC-Fliegen. Das ist Fakt. Wie Jörg ja schreibt, ist auf den klassischen XC-Routen das eine oder andere Lee kaum zu vermeiden. Im Wettkampf schon! Die Tasksetter geben sich größte Mühe, die Tasks so zu planen, dass man nicht durch Lees fliegen muss. Überhaup steht Sicherheit im Vordergrund des Tasksettings. Natürlich klappt das auch nicht immer und ab und zu wird eine Wende oder ein Streckenabschnitt versehentlich doch ins Lee gelegt, aber sehr selten. Im Tasksetter-Team sind immer Locals, die ihr Gebiet wie ihre Westentasche kennen.

        - Routenwahl:
        Beim Wettkampf ist die Wahl der Route ja völlig frei und wird den Gegebenheiten des Tages angepasst. An Tagen mit überregionalem Wind, ungünstiger Richtung, schwachen Bedingungen oder punktuellen Überentwicklungen werden halt auch mal kurze, lokal begrenzte Tasks, Ritsch-Ratsch-Aufgaben (also an einer Ridge hin und her) oder "Aquariumaufgaben" (also kreuz und quer in einem eng begrenzten Gebiet) gestellt. So lassen sich auch kritische Tage für völlig gefahrlose Tasks nützen. Ich habe schon oft Tage erlebt, an denen die XC-Flieger von mörderischen Bedingungen entlang ihrer (mehr oder weniger starren) Aufgaben berichtet haben und wir einen wunderbaren, lokal begrenzten Task geflogen sind.

        - Safety Comitee:
        Neben dem Task-Kommitee gibt es oft noch ein gewähltes Safety-Kommitee. Dessen Aufgaben sind die zusätzliche Begutachtung der Tagesaufgabe, aber auch das Reporting aus der Luft an die Wettkampfleitung.

        - Safety Level:
        Im Wettkampf sind alle mit Funk und einer gemeinsamen Safety-Frequenz ausgerüstet. Auf dieser gibt die Wettkampfleitung Gefahren, den Stop des Tasks etc. durch. Vor allem aber können Piloten von unterwegs Safety Level funken. 1 = alles ok, gute Bedingungen. 2 = Ich finde die Bedingungen hier für mich nicht mehr safe und gehe landen. 3 = Ich bin der Meinung, dass die Bedingungen generell nicht mehr safe sind und der Task gestoppt werden muss. Wenn mehrere Level 3 Meldungen bei der Wettkampfleitung eingehen, wird normalerweise der Task gestoppt.

        - Vorflieger:
        Im Wettkampf kann man sich sehr gut an den Vorfliegern orientieren. Ganz vorne fliegen logischerweise meist echte Cracks, die in der Regel eine sehr gute und sichere Routenwahl drauf haben. Klar werden da oft radikale Linien geflogen, aber niemals fliegt ein Pulk freiwillig in eine üble Situation rein. Meiner Erfahrung nach fliegen Wettkampfpulks fast immer ausgesprochen sichere Linien. Gerade als Anfänger kann man davon ungemein profitieren.

        - Reglement:
        Es gibt im Wettkampfreglement viele Punkte, die der Sicherheit dienen: Das Race beginnt in der Luft und man hat vorher genügend Zeit zum Aufdrehen. Das Race endet an der End of Speed Section, von der man noch ins Ziel fliegen muss, aber dafür Zeit hat. Damit ist Gasen in Bodennähe absolut nicht nötig. Es gibt eine Task Deadline, wer da noch nicht im Ziel ist, kann landen (oft wird diese nach den Wetterbedingungen definiert). Es gibt Streicher, also wenn man an einem Tag mal landet, dann ist noch nicht der ganze Wettkampf versaut. Usw...


        Aber natürlich weist das Wettkampffliegen auch spezifische Gefahren auf, die man nicht verschweigen darf:

        - Pulkfliegen:
        Insbesondere vor dem Air Start, wenn sich hundert Piloten gleichzeitig am Rand einer Wolke am idealen Schnittpunkt des Startzylinders zu positionieren versuchen, wird es oft extrem eng und unübersichtlich. Ich persönlich finde das das gefährlichste am Wettkampffliegen. Verblüffenderweise passiert da aber eher selten was, vermutlich weil alle hoch konzentriert sind (und natürlich auch noch topfit, zu Beginn des Rennens).

        - Nachzügler:
        Wie Tommy schon geschrieben hat, orientieren sich die Tasksetter an durchschnittlich geschätzen Geschwindigkeiten. Man überlegt also, wann der (Haupt-)Pulk wo sein wird und legt die Route so, dass (Tal-)Windentwicklung, Wetterentwicklung berücksichtigt sind. Wenn nun aber einige ganz langsam und gemütlich hinterher fliegen, haben sie manchmal schon üble Bedingungen an Orten, wo der Führungspulk noch top Wetter hatte. Aber das ist ja beim normalen XC-Fliegen (und auch am Hausberg) oft auch so, man muss halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein - und wenn man es nicht ist, das erkennen und reagieren.

        - Anspruch der Tasks:
        Der Anspruch der Tasks richtet sich am durchschnittlichen Pilotenlevel aus. Für Piloten, die schlechter als der Durchschnitt fliegen, sind die Tasks also sehr anspruchsvoll. Deshalb kann ein Pilot, der bei einer Paragliding Challenge oder einer Landesmeisterschaft viel Spaß hat, bei einem Ligawettkampf überfordert sein. Genauso wie der durchschnittliche Ligapilot bei einem PWC...

        - Lemmingeffekt:
        Dieser Lemmingeffekt wird ja sehr oft mit dem Wettkampffliegen in Verbindung gebracht. Aber wie Jörg geschrieben hat, hat man den auch beim XC-Fliegen. Am vergangenen Wochenende in Fiesch konnte ich mich an beiden Tagen nur noch wundern wie tief ganze Horden von Lemmingen in die vom Talwind überspülten Quertäler reingedübelt sind (mit Speed) und sich an jeder Ridge nen Spülgang geholt haben. Ich hab das z. B. nicht mitgemacht, sondern bin in Ruhe nach hinten in die Berge und konnte ohne Lees und gleich schnell weiterfliegen. Im Wettkampf würde bereits der Führungspulk ziemlich sicher auf die Idee kommen, diese Lees zu vermeiden und man hätte als "Lemming" eine viel bessere Vorlage zur Orientierung. Aus meiner Sicht ist der negative Lemmingeeffekt im Wettbewerb nicht sehr häufig zu beobachten.

        - Gerätewahl:
        Ein großes Problem. Deutlich mehr Piloten hängen sich im Wettkampf unter für sie zu anspruchsvolle Geräte als beim XC-Fliegen. Dort sind zum Glück mittlerweile auch niedrig klassifizierte Geräte "salonfähig". Natürlich auch, weil höher klassifizierte beim XC-Fliegen mindestens so viele Nachteile (Ermüdung, Konzentration aufs Gerät, früher aus dem Gas müssen...) haben wie Vorteile. Aber auch im zentralen Wettkampf nützt es wenig, sich mit einem Gerät zu überfordern, damit fliegt man definitiv schlechter.

        - Stress:
        Bei Wettkämpfen hat man viele zusätzliche Stressfaktoren, vor allem bevor das Rennen beginnt. Route auf Geräte laden. Zeitdruck bis zum Start. Alle wollen gleichzeitig raus. Keine Zeit, in Ruhe zu starten > Fehler bei der Startvorbereitung > Abbrüche. Semioptimale Stelle zum Starten. Man muss rechtzeitig zum Air Start an der Basis sein. Man muss auf die Zeiten achten. Man muss die Bojen richtig abhaken. Neue taktische Anforderungen ("wann gehe ich in den Endanflug"?). Ungewohntes Verhalten der alten Hasen ("warum fliegen denn die alle plötzlich ins Flache? Soll ich hinterher oder wie üblich an den Bergen bleiben?") usw.

        - Ehrgeiz:
        Der kann einen natürlich schon packen, spätestens wenn der "xxx" vor einem fliegt oder abends, wenn man die Platzierungsliste liest. Zum Glück sind es aber nur sehr wenige Leute, die sich davon so sehr vereinnahmen lassen, dass es gefährlich wird und sie denken, durch mehr Risiko können sie sich verbessern.


        Konkrete Tipps zum Risikomanagement:

        - Passende Wettbewerbe aussuchen:
        Klein Anfangen, erst einmal lokale Wettbewerbe oder die Paragliding Challenge wählen, dann ein paar gemütliche nationale Bewerbe und so Erfahrung sammeln. Dann Liga, PWC und schließlich Nationalmannschaft ;-) Diese "Anspruchsleiter" ist durch die Qualifikationskriterien grundsätzlich auch gegeben, kann aber manchmal auch "umgangen" werden, was aber eben aus Sicherheitsüberlegungen heraus keinen Sinn macht. Tipp: Österreichische Wettkämpfe sind sehr relaxed und man versteht (einigermaßen;-) die Sprache.

        - Früh dran sein!
        Am Vorabend anreisen. Früh frühstücken. Früh mit der Bahn hochfahren. Sofort auspacken und Material vorbereiten. Früh zum Briefing gehen. Früh die Route eintippen. Früh starbereit machen. Früh starten! Es wird ohnehin stressig, und je weniger man sich in Zeitnot bringt, desto besser.

        - Gewohntes Material fliegen:
        Auf keinen Fall zum Wettkampf mit irgendeiner neuen Komponente (oder Einstellung) antreten. Das betrifft natürlich den Schirm und das Gurtzeug, (Gasereinstellung!) aber auch die Elektronik, deren Einstellungen und den ganzen Kleinkram wie Wasserver- und -entsorgung, Klamotten, Brille, Handy... Das alles sollte man tunlichst zu Hause bzw. am Hausberg optimieren. Unnötiges Zeug wie z. B. Fotokamera oder GoPro, was zusätzlich bedient werden muss, zu Beginn weg lassen.

        - Hoch fliegen:
        Natürlich eine Binsenweisheit. Trotzdem neigen gerade Anfänger dazu, tief mitzufliegen. Man sollte am Anfang immer mit den Höchsten aus einer Thermik wegfliegen, auch wenn andere schon unter einem los fliegen. Das hat zwei Vorteile: Man kommt nicht tief an, vor allem aber sieht man die besten Linien an den Vorfliegern.

        - Der Pulk hat recht:
        Man kann sich diesen Satz, gerade als Anfänger, gar nicht oft genug einhämmern. In 99 % der Fälle findet der Pulk die beste, schnellste und sicherste Linie. Alleingänge bringen so gut wie nie etwas. Als Anfänger einfach da hin mit fliegen, wo die anderen hin fliegen. Das ist gar nicht so einfach, da man ja gewohnt ist, selbst Thermik zu suchen. Also ist das auf jeden Fall mal ein Punkt, wo man Konzentration einsparen kann (und für andere - z. B. Sicherheits-Überlegungen benutzen), indem man einfach hinterher fliegt.

        - Ins Ziel kommen:
        Zu Beginn ist die Zeit nicht wichtig, es geht darum, ins Ziel zu kommen. Natürlich müssen die Cracks, um jede Sekunde herauszuholen, immer tiefst- und schnellstmöglich fliegen. Aber als Anfänger genügt es vollkommen (und macht darüber hinaus auch viel mehr Spaß!) ins Ziel zu kommen, anstatt irgendwo abzuhocken. Das bedingt auch, dass man nicht dauernd Vollgas fliegen muss, sondern etwas langsamer und höher unterwegs ist. Jörgs Punkt des geländenahen Vollgasfliegens ist damit völlig unnötig. Da man für eine Zielankunft auch viel mehr Punkte bekommt, als für einen zwar schnellen, aber vorzeitig beendeten Flug, bringt das nichts.

        - Absaufen:
        Wenn man doch irgendwann tief kommt, dann nicht bis zum Letzen kämpfen, sondern gemütlich einen Landeplatz suchen, landen, sich nicht grämen und den Tag als lehrreich betrachten. Außerdem ist morgen auch noch ein Task...

        - Spaß haben und locker bleiben:
        Es geht um nichts. Wenn man Spaß hat, fliegt man besser. Wenn man verkrampft ist und nur auf Platzierungen schielt, wirds eh nix. Man sollte das Ganze primär als gemeinsames Fliegen sehen. Natürlich geht es ums Racen, aber keiner ist ein besserer Mensch, nur weil er weiter oder schneller fliegt. Im Wettkampf merkt man auch schnell, dass selbst die besten Flieger der Welt einfach mal Pech haben und einen schlechten Lauf. Man sollte also seine eigenen Ansprüche an sich selbst nicht zu ernst nehmen.

        - Gefahren beobachten:
        Das ist tatsächlich ein wunder Punkt: Man muss sich im Wettkampf auf viele zusätzliche Dinge konzentrieren und übersieht dabei leicht Dinge, die einem sonst aufgefallen wären. Sei es ein Seilbahnkabel, die drohende Gewitterwolke etc. Man fühlt sich auch per se recht sicher und ist geneigt, die Risikovermeidung auf andere (die Wettkampfleitung, das Safety Commitee, die Locals, die Vorausflieger...) zu übertragen. Das sollte man absolut nicht tun, jeder ist auch im Wettkampf für sich selbst verantwortlich.

        - Wenn etwas nicht stimmt:
        Landen! Der wichtigste Punkt. Wenn man sich unsicher fühlt, die Bedingungen nicht passen etc., einfach landen gehen. So wie immer. Es darf keine Rolle spielen, ob andere noch fliegen oder ob man sich im Wettkampf befindet.

        - Wann aufgeben?
        Wenn man eh schon weit hinterherfliegt und sich die Bedingungen verschlechtern (wenn beispielsweise der Führungspulk 3 Stunden vorher ein Tal ohne Talwind gequert hat und ich hänge jetzt im Talwind fest), einfach landen gehen. Platzierungsmäßig bringts eh nix mehr und lernen tut man, wenn man völlig abgehängt hinterherfliegt, auch nichts mehr. Der Spaß hält sich dann auch meist in Grenzen. Wenn die Bedingungen allerdings noch gut sind, kann man auch einfach auf XC-Modus umschalten und für sich alleine ganz gemütlich ins Ziel fliegen. Sehr oft (!!) ist man dann sogar noch ganz gut platziert, auch wenn man 5 Stunden später ankommt, da ja immer auch welche absitzen. Das halte ich für Anfänger ohnehin für eine gute Mentaltechnik: So lange man im Pulk dabei ist, fliegt man mit um die Wette - wenn man abgehängt wird, fliegt man gemütlich XC, ist ja trotzdem ein guter Flugtag. Ich bin in Wettkämpfen auch schon einfach mitten drin abgebogen und auf einen anderen Kurs gegangen - schließlich ist man ja nicht verpflichtet, irgendwelche Bojen abzuhaken ;-)

        - Lernen:
        Ein ganz toller Sicherheitsaspekt ist, dass man jeden Abend mit den Cracks und den Top-Locals zusammenhockt und denen allen ein Loch in den Bauch fragen kann. Solange sie noch nicht zu besoffen sind, kann man da wirklich viel lernen. Im Gegensatz zu den oft eher verschlossenen Streckenfliegern, die am liebsten alle Tipps für sich behalten, sind die top Wettkämpfer unglaublich offen. Einfach fragen und lernen.

        Ich glaube, wenn man die Sache locker angeht wird man durch Wettkämpfe eher zum sichereren Piloten und lernt so viel, dass die positiven Aspekte in Sachen Sicherheit die theoretischen Risiken überwiegen. Wenn man aber zu verbissen und ehrgeizig oder mit einer falschen Selbsteinschätzung rangeht, kann es durchaus gefährlich werden.
        Zuletzt geändert von Gast; 16.08.2016, 10:30.

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          #5
          AW: Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

          Herzlichen Dank für eure super Beiträge! Manchmal wächst auch das "German Idiots Forum" über sich hinaus.

          JN's Beitrag hat es sogar auf Lucians Blog geschafft http://lu-glidz.blogspot.de/2016/08/...bsfliegen.html

          Ich nehme für mich mal persönlich mit, dass das Wettbewerbsfliegen mit tolerierbarem Risiko betrieben werden kann, solange man seinen Ehrgeiz im Griff hat. JNs "Konkrete Tipps zum Risikomanagement" hatte ich mir, wenn auch nicht so gut ausformuliert, auch schon vorgenommen. Der einzige Punkt, der mir noch Kopfzerbrechen bereitet, ist das "Gefahren bobachten", weil halt im Wettbewerb mehr Ablenkung da ist und eher mal etwas übersehen wird. Aber ich werde versuchen, auch das nächste Woche auf der Newcomer Challenge möglichst gut umzusetzen. Wird bestimmt eine geile Woche!

          LG, Michael

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            #6
            AW: Risikomanagement beim Wettbewerbsfliegen (für Einsteiger)

            Was beim Thema Sicherheit immer wieder genannt wird, ist das Thema "Bauchgefühl". Für mich ist es sehr wichtig, dass ich vor und während dem Flug die Ruhe habe, mein Bauchgefühl, meine Anspannung und meinen Streßlevel zu spüren und darauf hören zu können.

            Im Wettbewerb ist das schwieriger als beim Freifliegen.

            Es sagt sich so leicht, "locker angehen". Schonmal einen Marathon mitgelaufen? Versuch mal dich bei einem Laufwettbewerb nicht mehr zu verausgaben, als bei einem Probelauf alleine...


            Während das verschieben der Grenzen beim Laufen nur erhöhten Puls bedeutet, führt es beim Fliegen aber zu mehr Risikobereitschaft.

            Auch wenn ein Task grundsätzlich sicher geplant wird, denke ich, dass man sich selbst wirklich sehr gut im Griff haben muss, wenn man seine ersten Wettbewerbe ohne erhöhtem Risiko absolvieren will. Mir gelingt das bisher nicht sehr gut..

            lg
            Martin

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