Hallo,
Im aktuellen DHV-Info geht die Diskussion zum Kurven-Fliegen durch Reinlegen mit einem 2. Beitrag von Konrad Friz weiter. In diesem Beitrag stellt Konrad weitere Gedanken und Ergebnisse aus Flugversuchen dar. Ich möchte diese Diskussion weiterführen, der Weg übers DHV-Info ist aber hierfür recht langsam und so nutz ich eben das Forum hier.
Ich weis nicht, ob Konrad hier mitliest und so dies hier mitbekommt. Sollte unter den Lesern jemand dabei sein, der Konrad zusätzlich informiert, wär's natürlich hilfreich.
Worum geht's?
Das man mit Reinlegen ins Gurtzeug einen schönen Kreis fliegen kann ist klar. Wie kommt es aber dazu? Dazu gibt es verschiedene Erklärungen:
Meine Vermutung war, dass wegen der Aufhängung an Leinen der Pilot sein Gewicht gar nicht aus der Mitte verschieben kann. (Ein Drachenflieger kann das, weil er sich an dem Trapez entsprechend seitlich abstützen kann). Mit dem Reinlegen, so kann man gut beobachten, tut sich aber auch was an der Geometrie des Schirms. Die Karabiner verschieben sich gegensinnig vertikal und der Schirm macht in der Mitte den Doppel-Knick. Es resultiert ein schräges Mittelstück und da die aerodynamischen Druckkräfte stets senkrecht auf das Segel wirken hat man bezogen auf den tiefen Schwerpunkt ein Rollmoment. Der Flügel rollt also ein, der Auftrieb steht mit dem Hängenl quer, die Kurve stellt sich ein. Da man während des Kurvenfluges weiterhin drin liegt bleibt das Rollmoment natürlich weiter bestehen und gleicht das (dagegenarbeitende) Gier-Rollmoment aus. Um diese Überlegung quantitativ zu bestimmen habe ich mit einem modernen, detaillierten Aerodynamik-Programm das Rollmoment berechnet. Für eine Auslenkung der Karabiner von +/- 10cm hat man ca. 130Nm Rollmoment. Um nun zu verstehen, was dieser Wert in Sachen Kurvenflug bedeutet habe ich das Aerodynamik-Modell auch noch in eine flugmechanische Simulation gesteckt und den Kurvenflug nachgerechnet. Das Ergebnis war ein Kreis mit ca. 30 Sekunden. Dieses Ergebnis gilt für das betrachtete Modell, Basis dafür ist mein DHV2-Flügel. Der Quercheck durch einen einfachen Flugversuch ergab ebenfalls ca. 30 Sekunden und hat die Theorie gut bestätigt.
Konrad will's ned so recht glauben. Er vermutet, dass Reinlegen eher was mit Gewichtsverlagerung, unterschiedliche Belastung der zwei Flügelhälften usw. zu tun hat, siehe aktuelles DHV-Info.
Die Idee:
Mit einem "normal" durchgeführten Flugversuch kann man schwer sagen, ob's nun Gewichtsverlagerung oder Knick-Rollmoment ist. Reinlegen zu einer Seite führt zum Knick-Rollmoment auf diese Seite und evtl. auch zu einem Gewichts-Rollmoment. Wenn man sich nun aber im Flug durch Überkreuzen der Tragegurte "rückwärts fliegend" orientiert und sich dann reinlegt, hat man ein evtl. Gewichts-Rollmoment zu einer Seite und das Knick-Rollmoment auf die entgegengesetzte Seite. Die Drehrichtung des Schirms beantwortet dann die Frage. Dazu hab ich auch ein Bild erstellt und angehängt : ReinlegenModell.pdf.
Gestern war ich dann am Brauneck und hab das auch ausprobiert. Das GPS hat den Flug mit 2 Sekunden Taktrate geloggt und zudem hab ich versucht mit einer kleinen Digital-Kamera das Kreisen zu dokumentieren. Das igc-file ist auf dem DHV-XC Server eingestellt.
Der nächste Schritt war dann eine Auswertung der geloggten Daten. Das Ergebnis ist grafisch in ReinlegenData.pdf dargestellt und das möchte ich nun erklären.
Zunächst die Rechenschritte: Aus dem igc-file sind die Latitude- und Longitude-Koordinaten bekannt. Mit Bezug auf den Landepunkt lässt sich daraus die Delta-Position West-Ost bzw Süd-Nord bestimmen. Aus der Abfolge der Positionen berechnet man den Kurs und schließlich kann man über eine zeitliche Betrachtung des Kurses die Wende-Rate bestimmen. Um aus den igc-Daten die Zeit für einen Vollkreis zu erhalten ist mir der Weg über die Wenderate am liebsten. Man kann einen (guten) Mittelwert bestimmen, zB 12°/Sekunde und erhält daraus sofort die Vollkreis-Zeit zu 360/12 = 30 Sekunden. Mit dieser Methode muss der Pilot den Kreis auch nicht voll fliegen, es genügt bereits ein Kreisabschnitt um hochzurechnen.
Was zeigt das Bild?
Der Plot oben zeigt den interessanten Teil des Fluges mit den Kreisen. Der Flug zieht sich vom Brauneck kommend links unten nach rechts oben. Der mittlere plot zeigt den zeitlichen Verlauf des Kurses und die drei kleineren Abbildungen unten enthalten die Drehraten der drei farblich markierten Kreise.
Der erste Kreis rechtsrum sowie der 2. Kreis linksrum waren zum "Warm-Fliegen" und orientieren, wie's am besten klappt mit Fliegen, Filmen, Drehsinn usw.
Der dritte Kreis (in rot gehighlighted) ist ganz normal durch Reinlegen geflogen, aber nicht sauber über 360°. Die Drehrate (unten links) ergeben erst 12°/s, später dann nur noch 8°/s, im Mittel also 10°/s. Der Kreis würde so 36 Sekunden dauern. Könnte man die anfänglichen 12°/s ständig halten wär's ein 30 Sekunden Kreis. Den Film dazu gibt's hier: http://de.youtube.com/watch?v=YZtFVu6WaxU
Beim vierten Kreis habe ich versucht die Gurte kraft Arme&Hände zu überkreuzen, dann kräftig reinzulegen, mit einer Hand das Ganze halten und mit der anderen zu filmen. Man sieht, dass dabei durchaus ein Kreis entstanden ist, allerdings mit "schwächelnden" Abschnitte, wo die Drehrate von 12°/s deutlich abfällt. Das Video gibt's hier: http://de.youtube.com/watch?v=quUz8PzbsBE . Viel erkennen kann man ehrlicherweise nicht, zumindest das über Kreuz hängen wird deutlich.
Ich hab das dann noch wiederholt, diesmal aber ohne Kamera um die Position zu halten. Das ist der letzte Kreis in magenta. Hier ging's (gemäß meiner Erinnerung) nach anfänglichen Ruckeln bald schön rund, die Drehwerte sind so um 10°/s bis 12°/s, wie beim "normalen" Reinlegen.
Ergebnis:
Im Rahmen der Genauigkeit der Daten lässt sich also feststellen, dass das Reinlegen in beiden Fällen, "normal" und "umgedreht", übereinstimmende Drehraten (Zeit für Vollkreis) ergeben. Das zeigt, dass Reinlegen zur Seite kein zusätzliches Gewichts-Rollmoment macht. Entscheidend ist allein das aerodynamische Knick-Rollmoment. (Die Bezeichnung Gewichtsverlagerung ist also irreführend).
Wer mag, kann den Versuch mal selber ausprobieren.
Soweit erst mal. Viele Grüße,
Horst
Im aktuellen DHV-Info geht die Diskussion zum Kurven-Fliegen durch Reinlegen mit einem 2. Beitrag von Konrad Friz weiter. In diesem Beitrag stellt Konrad weitere Gedanken und Ergebnisse aus Flugversuchen dar. Ich möchte diese Diskussion weiterführen, der Weg übers DHV-Info ist aber hierfür recht langsam und so nutz ich eben das Forum hier.
Ich weis nicht, ob Konrad hier mitliest und so dies hier mitbekommt. Sollte unter den Lesern jemand dabei sein, der Konrad zusätzlich informiert, wär's natürlich hilfreich.
Worum geht's?
Das man mit Reinlegen ins Gurtzeug einen schönen Kreis fliegen kann ist klar. Wie kommt es aber dazu? Dazu gibt es verschiedene Erklärungen:
Meine Vermutung war, dass wegen der Aufhängung an Leinen der Pilot sein Gewicht gar nicht aus der Mitte verschieben kann. (Ein Drachenflieger kann das, weil er sich an dem Trapez entsprechend seitlich abstützen kann). Mit dem Reinlegen, so kann man gut beobachten, tut sich aber auch was an der Geometrie des Schirms. Die Karabiner verschieben sich gegensinnig vertikal und der Schirm macht in der Mitte den Doppel-Knick. Es resultiert ein schräges Mittelstück und da die aerodynamischen Druckkräfte stets senkrecht auf das Segel wirken hat man bezogen auf den tiefen Schwerpunkt ein Rollmoment. Der Flügel rollt also ein, der Auftrieb steht mit dem Hängenl quer, die Kurve stellt sich ein. Da man während des Kurvenfluges weiterhin drin liegt bleibt das Rollmoment natürlich weiter bestehen und gleicht das (dagegenarbeitende) Gier-Rollmoment aus. Um diese Überlegung quantitativ zu bestimmen habe ich mit einem modernen, detaillierten Aerodynamik-Programm das Rollmoment berechnet. Für eine Auslenkung der Karabiner von +/- 10cm hat man ca. 130Nm Rollmoment. Um nun zu verstehen, was dieser Wert in Sachen Kurvenflug bedeutet habe ich das Aerodynamik-Modell auch noch in eine flugmechanische Simulation gesteckt und den Kurvenflug nachgerechnet. Das Ergebnis war ein Kreis mit ca. 30 Sekunden. Dieses Ergebnis gilt für das betrachtete Modell, Basis dafür ist mein DHV2-Flügel. Der Quercheck durch einen einfachen Flugversuch ergab ebenfalls ca. 30 Sekunden und hat die Theorie gut bestätigt.
Konrad will's ned so recht glauben. Er vermutet, dass Reinlegen eher was mit Gewichtsverlagerung, unterschiedliche Belastung der zwei Flügelhälften usw. zu tun hat, siehe aktuelles DHV-Info.
Die Idee:
Mit einem "normal" durchgeführten Flugversuch kann man schwer sagen, ob's nun Gewichtsverlagerung oder Knick-Rollmoment ist. Reinlegen zu einer Seite führt zum Knick-Rollmoment auf diese Seite und evtl. auch zu einem Gewichts-Rollmoment. Wenn man sich nun aber im Flug durch Überkreuzen der Tragegurte "rückwärts fliegend" orientiert und sich dann reinlegt, hat man ein evtl. Gewichts-Rollmoment zu einer Seite und das Knick-Rollmoment auf die entgegengesetzte Seite. Die Drehrichtung des Schirms beantwortet dann die Frage. Dazu hab ich auch ein Bild erstellt und angehängt : ReinlegenModell.pdf.
Gestern war ich dann am Brauneck und hab das auch ausprobiert. Das GPS hat den Flug mit 2 Sekunden Taktrate geloggt und zudem hab ich versucht mit einer kleinen Digital-Kamera das Kreisen zu dokumentieren. Das igc-file ist auf dem DHV-XC Server eingestellt.
Der nächste Schritt war dann eine Auswertung der geloggten Daten. Das Ergebnis ist grafisch in ReinlegenData.pdf dargestellt und das möchte ich nun erklären.
Zunächst die Rechenschritte: Aus dem igc-file sind die Latitude- und Longitude-Koordinaten bekannt. Mit Bezug auf den Landepunkt lässt sich daraus die Delta-Position West-Ost bzw Süd-Nord bestimmen. Aus der Abfolge der Positionen berechnet man den Kurs und schließlich kann man über eine zeitliche Betrachtung des Kurses die Wende-Rate bestimmen. Um aus den igc-Daten die Zeit für einen Vollkreis zu erhalten ist mir der Weg über die Wenderate am liebsten. Man kann einen (guten) Mittelwert bestimmen, zB 12°/Sekunde und erhält daraus sofort die Vollkreis-Zeit zu 360/12 = 30 Sekunden. Mit dieser Methode muss der Pilot den Kreis auch nicht voll fliegen, es genügt bereits ein Kreisabschnitt um hochzurechnen.
Was zeigt das Bild?
Der Plot oben zeigt den interessanten Teil des Fluges mit den Kreisen. Der Flug zieht sich vom Brauneck kommend links unten nach rechts oben. Der mittlere plot zeigt den zeitlichen Verlauf des Kurses und die drei kleineren Abbildungen unten enthalten die Drehraten der drei farblich markierten Kreise.
Der erste Kreis rechtsrum sowie der 2. Kreis linksrum waren zum "Warm-Fliegen" und orientieren, wie's am besten klappt mit Fliegen, Filmen, Drehsinn usw.
Der dritte Kreis (in rot gehighlighted) ist ganz normal durch Reinlegen geflogen, aber nicht sauber über 360°. Die Drehrate (unten links) ergeben erst 12°/s, später dann nur noch 8°/s, im Mittel also 10°/s. Der Kreis würde so 36 Sekunden dauern. Könnte man die anfänglichen 12°/s ständig halten wär's ein 30 Sekunden Kreis. Den Film dazu gibt's hier: http://de.youtube.com/watch?v=YZtFVu6WaxU
Beim vierten Kreis habe ich versucht die Gurte kraft Arme&Hände zu überkreuzen, dann kräftig reinzulegen, mit einer Hand das Ganze halten und mit der anderen zu filmen. Man sieht, dass dabei durchaus ein Kreis entstanden ist, allerdings mit "schwächelnden" Abschnitte, wo die Drehrate von 12°/s deutlich abfällt. Das Video gibt's hier: http://de.youtube.com/watch?v=quUz8PzbsBE . Viel erkennen kann man ehrlicherweise nicht, zumindest das über Kreuz hängen wird deutlich.
Ich hab das dann noch wiederholt, diesmal aber ohne Kamera um die Position zu halten. Das ist der letzte Kreis in magenta. Hier ging's (gemäß meiner Erinnerung) nach anfänglichen Ruckeln bald schön rund, die Drehwerte sind so um 10°/s bis 12°/s, wie beim "normalen" Reinlegen.
Ergebnis:
Im Rahmen der Genauigkeit der Daten lässt sich also feststellen, dass das Reinlegen in beiden Fällen, "normal" und "umgedreht", übereinstimmende Drehraten (Zeit für Vollkreis) ergeben. Das zeigt, dass Reinlegen zur Seite kein zusätzliches Gewichts-Rollmoment macht. Entscheidend ist allein das aerodynamische Knick-Rollmoment. (Die Bezeichnung Gewichtsverlagerung ist also irreführend).
Wer mag, kann den Versuch mal selber ausprobieren.
Soweit erst mal. Viele Grüße,
Horst
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