AW: Bodenlos-Podiumsdiskussion "Pilotensicherheit Quo-Vadis?" - Video nun online
Laß mal gut sein, Axel, das tut Karl gar nicht. Ich habe die Monatsberichte der BFU von 2007 (außer Dezember, der ist noch nicht veröffentlicht) nochmal durchgesehen und bin auf folgende Zahlen gekommen: 14 Todesfälle in der Kategorie Segelflugzeuge, 10 bei den Segelflugzeugen mit Hilfsantrieb, 5 bei Reisemotorseglern, also sogar 24, nicht 23, wie Karl sagte, bei den ersten beiden *) . Das Zusammenziehen der zwei Kategorien, wie es die BFU in ihren Jahresberichten (anders als bei den Monatsberichten) praktiziert, ist völlig in Ordnung und entspricht auch der Praxis: In meinem Verein gibt es einige Segelflugzeuge mit Quirl, aber sie werden praktisch als reine Segelflugzeuge genutzt, der Motor wird nur äußerst selten und dann nur als Heimkehrhilfe eingesetzt und selbst der Start erfolgt fast ausschließlich im F-Schlepp. Da argumentiert Karl korrekt.
Die andere Frage ist, was man denn da vergleicht. In beiden Fällen deutsche Piloten im In- und Ausland, auch mit im Ausland zugelassenen Flugzeugen im Fall der BFU. Aber auf welche Zahl will man denn die Unfallziffern beziehen? Auf die der Scheininhaber? Nun, als Gleitschirmflieger hat man den Schein auf Lebenszeit, die Segelflieger mußten ihn bis vor kurzem alle 2 Jahre erneuern lassen gegen entsprechenden Praxisnachweis. Das hat sich ja nun auch verändert, aber der Anteil der Aktiven unter den Segelfliegern dürfte doch sehr viel höher liegen als bei der entsprechenden Vergleichszahl für Gleitschirmflieger. Jeder seriöse Umgang mit solchen Statistiken muß also auch immer betonen, wie wenig vergleichbar diese Zahlen sind.
Die Erbsenzählerei führt da nicht weiter. Fest steht, daß 2007 in Bezug auf tödliche Unfälle für die Gleitschirmflieger ein außergewöhnlich "gutes" Jahr war, während die Segelflieger mit genau doppelt so vielen Toten gegenüber dem Vorjahr einen Ausreißer nach oben verbuchen mußten. Die Zahlen fluktuieren natürlich von Jahr zu Jahr, 2001 war's zuletzt umgekehrt.
Viel interessanter ist etwas ganz anderes: Die Statistiken zeigen nämlich, daß es auf der einen Seite einen kontinuierlichen und signifikanten Rückgang der Unfallrate (also Unfälle pro 100 zugelassener Flugzeuge) seit Anfang der 90er-Jahre gibt - auf 40 % gegenüber 1990 bei den Segelfliegern! Dieser Rückgang ist überall festzustellen, bei Segelfliegern, Motorfliegern, Gleitschirmen. Auf der anderen Seite gibt es einen stark fluktuierenden, im Groben aber gleichbleibenden "Bodensatz" tödlicher Unfälle. Warum das so ist, ist mir offen gesagt nicht klar, aber es ist auffallend.
Wenn wir uns mal von der Fixierung auf tödliche Unfälle lösen und diesen übergeordneten Unfallrückgang betrachten, fällt einem bei den Gleitschirmen natürlich zuerst die fortschreitende Gerätetechnik seit 1990 ein. Die spielt aber bei den "Hartschalen"-Fliegern keine Rolle mehr, hier kommen eigentlich nur Fortschritte in der Ausbildung infrage - interessanterweise ist der Effekt bei den Vereinsausbildungs-orientierten Segelfliegern noch um einen Tick deutlicher als bei den Flugschul-geprägten Motorfliegern. Und das deckt sich auch mit dem, was ich über die Jahre in meinem Umfeld beobachtet habe: Eine wesentlich verbesserte Ausbildung im Gefolge eines deutlichen Umdenkens in Sicherheitsfragen (es kommt selten vor, daß man eine Entwicklung so eindeutig auf ein Ereignis beziehen kann. Bei den Segelfliegern war es die Rede von Bruno Gantenbrink, die enorm viel in Bewegung gebracht hat. Drum finde ich es schade, daß der DHV Axels Vorschlag, das Gespräch mit Bruno zu suchen, nicht aufgenommen hat, davon könnte man doch eigentlich nur profitieren!). Wenn ich es richtig interpretiere, gibt es in der Gleitschirmwelt noch heftige Widerstände gegen ein solches Umdenken, wie es die Segelflieger meiner Beobachtung nach bereits vollzogen haben.
Karl, ich akzeptiere Deine Entschuldigung in Richtung Segelflugvereine, sehe aber schon eine gewisse Haltung dahinter. Du sprichst von den "... Vereinen, wo die Professionalität der Flugschulen fehlt...", mußt freilich eine Viertelstunde später zugestehen, daß es damit auch nicht allzuweit her ist, wenn das Ausbildungsprogramm mancherorts zwar unterschrieben, nicht aber wirklich absolviert wird. Ich denke schon, daß die vereinsorientierte Ausbildung der Segelflieger ein bedenkenswertes Gegenmodell zu den Flugschulen darstellt - mit Vor- und Nachteilen auf jeder Seite, klar! Aber daß es "nicht funktioniert"... ???
Und da schließt sich für mich der Kreis mit Hannes' Anregungen auf der Podiumsdiskussion. Nämlich nach Wegen zu suchen, aus der Find's-selber-raus-Kultur der Gleitschirmflieger (beim Schirmwechsel, beim Erkunden neuer Fluggebiete, beim Rantasten an heftigere Bedingungen etc.) auszubrechen und eine kommunikative, gegenseitig verantwortliche Kultur, wie sie etwa bei den Segelfliegern herrscht, zu befördern. Wie auch immer: Stärkung der Vereine, Hannes Vorschlag betreuter Fluggebiete - ich denke, das geht in die richtige Richtung. Und da gibt es bei den Segelfliegern schon einiges abzukucken, weshalb man deren Welt auch nicht so abtun sollte!
Eigentlich erstaunt es mich nicht, daß es ein Verein war, der diese spannende und potentiell tiefgreifende Diskussion angestoßen hat und nun verbandsweit kommuniziert: Herzlichen Dank an die Bodenlosen, mich hat das Video sehr nachdenklich gemacht!
Schöne Grüße
Rüdiger
*) Anmerkung: Auch Karls Zahl "23" ist nachvollziehbar: Ich hatte den Fall, wo jemand am Platzrand vom Windenseil mitgerissen wurde, nicht berücksichtigt, während zum Zeitpunkt von Karls Statement der Novemberbericht mit zwei Toten in Südafrika noch nicht veröffentlicht war.
Zitat von AxelN
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Die andere Frage ist, was man denn da vergleicht. In beiden Fällen deutsche Piloten im In- und Ausland, auch mit im Ausland zugelassenen Flugzeugen im Fall der BFU. Aber auf welche Zahl will man denn die Unfallziffern beziehen? Auf die der Scheininhaber? Nun, als Gleitschirmflieger hat man den Schein auf Lebenszeit, die Segelflieger mußten ihn bis vor kurzem alle 2 Jahre erneuern lassen gegen entsprechenden Praxisnachweis. Das hat sich ja nun auch verändert, aber der Anteil der Aktiven unter den Segelfliegern dürfte doch sehr viel höher liegen als bei der entsprechenden Vergleichszahl für Gleitschirmflieger. Jeder seriöse Umgang mit solchen Statistiken muß also auch immer betonen, wie wenig vergleichbar diese Zahlen sind.
Die Erbsenzählerei führt da nicht weiter. Fest steht, daß 2007 in Bezug auf tödliche Unfälle für die Gleitschirmflieger ein außergewöhnlich "gutes" Jahr war, während die Segelflieger mit genau doppelt so vielen Toten gegenüber dem Vorjahr einen Ausreißer nach oben verbuchen mußten. Die Zahlen fluktuieren natürlich von Jahr zu Jahr, 2001 war's zuletzt umgekehrt.
Viel interessanter ist etwas ganz anderes: Die Statistiken zeigen nämlich, daß es auf der einen Seite einen kontinuierlichen und signifikanten Rückgang der Unfallrate (also Unfälle pro 100 zugelassener Flugzeuge) seit Anfang der 90er-Jahre gibt - auf 40 % gegenüber 1990 bei den Segelfliegern! Dieser Rückgang ist überall festzustellen, bei Segelfliegern, Motorfliegern, Gleitschirmen. Auf der anderen Seite gibt es einen stark fluktuierenden, im Groben aber gleichbleibenden "Bodensatz" tödlicher Unfälle. Warum das so ist, ist mir offen gesagt nicht klar, aber es ist auffallend.
Wenn wir uns mal von der Fixierung auf tödliche Unfälle lösen und diesen übergeordneten Unfallrückgang betrachten, fällt einem bei den Gleitschirmen natürlich zuerst die fortschreitende Gerätetechnik seit 1990 ein. Die spielt aber bei den "Hartschalen"-Fliegern keine Rolle mehr, hier kommen eigentlich nur Fortschritte in der Ausbildung infrage - interessanterweise ist der Effekt bei den Vereinsausbildungs-orientierten Segelfliegern noch um einen Tick deutlicher als bei den Flugschul-geprägten Motorfliegern. Und das deckt sich auch mit dem, was ich über die Jahre in meinem Umfeld beobachtet habe: Eine wesentlich verbesserte Ausbildung im Gefolge eines deutlichen Umdenkens in Sicherheitsfragen (es kommt selten vor, daß man eine Entwicklung so eindeutig auf ein Ereignis beziehen kann. Bei den Segelfliegern war es die Rede von Bruno Gantenbrink, die enorm viel in Bewegung gebracht hat. Drum finde ich es schade, daß der DHV Axels Vorschlag, das Gespräch mit Bruno zu suchen, nicht aufgenommen hat, davon könnte man doch eigentlich nur profitieren!). Wenn ich es richtig interpretiere, gibt es in der Gleitschirmwelt noch heftige Widerstände gegen ein solches Umdenken, wie es die Segelflieger meiner Beobachtung nach bereits vollzogen haben.
Karl, ich akzeptiere Deine Entschuldigung in Richtung Segelflugvereine, sehe aber schon eine gewisse Haltung dahinter. Du sprichst von den "... Vereinen, wo die Professionalität der Flugschulen fehlt...", mußt freilich eine Viertelstunde später zugestehen, daß es damit auch nicht allzuweit her ist, wenn das Ausbildungsprogramm mancherorts zwar unterschrieben, nicht aber wirklich absolviert wird. Ich denke schon, daß die vereinsorientierte Ausbildung der Segelflieger ein bedenkenswertes Gegenmodell zu den Flugschulen darstellt - mit Vor- und Nachteilen auf jeder Seite, klar! Aber daß es "nicht funktioniert"... ???
Und da schließt sich für mich der Kreis mit Hannes' Anregungen auf der Podiumsdiskussion. Nämlich nach Wegen zu suchen, aus der Find's-selber-raus-Kultur der Gleitschirmflieger (beim Schirmwechsel, beim Erkunden neuer Fluggebiete, beim Rantasten an heftigere Bedingungen etc.) auszubrechen und eine kommunikative, gegenseitig verantwortliche Kultur, wie sie etwa bei den Segelfliegern herrscht, zu befördern. Wie auch immer: Stärkung der Vereine, Hannes Vorschlag betreuter Fluggebiete - ich denke, das geht in die richtige Richtung. Und da gibt es bei den Segelfliegern schon einiges abzukucken, weshalb man deren Welt auch nicht so abtun sollte!
Eigentlich erstaunt es mich nicht, daß es ein Verein war, der diese spannende und potentiell tiefgreifende Diskussion angestoßen hat und nun verbandsweit kommuniziert: Herzlichen Dank an die Bodenlosen, mich hat das Video sehr nachdenklich gemacht!
Schöne Grüße
Rüdiger
*) Anmerkung: Auch Karls Zahl "23" ist nachvollziehbar: Ich hatte den Fall, wo jemand am Platzrand vom Windenseil mitgerissen wurde, nicht berücksichtigt, während zum Zeitpunkt von Karls Statement der Novemberbericht mit zwei Toten in Südafrika noch nicht veröffentlicht war.
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