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    #16
    AW: unglaublich....

    Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
    es scheint so, als habe der Ansatz der Verfahrensstandardisierung und der Operationalisierung aller denkbaren Eventualitäten zwar einen enormen Zugewinn an Sicherheit gebracht, auf der anderen Seite aber auch einen bestimmten, systemischen Typus von Unfallmöglichkeiten befördert. ... Und deshalb wird er unter den Profis sicherlich ernsthafter diskutiert werden als dies beispielsweise in einem Tütenfliegerforum mit seinen doch recht eingeengten Sichtweisen möglich ist.
    Das mag sein, ich kenn halt nur andere Linienpiloten (aber ich kenn auch nicht viele...)

    Ich hoffe übrigens inbrünstig, dass das Tütenfliegen so bleibt, wie es ist und sich nicht auch hier der von manchen Forumschreibern mit aller Vehemenz angestrebte "Ansatz der Verfahrensstandardisierung und der Operationalisierung aller denkbaren Eventualitäten" durchsetzt ;-)
    Aber da diese Typen in aller Regel nie an den wirklichen Flugspots zu sehen sind, sondern hier nur virtuell herumgeistern, besteht da auch kaum Grund zur Sorge...

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      #17
      AW: unglaublich....

      Zitat von JN Beitrag anzeigen
      Ich hoffe übrigens inbrünstig, dass das Tütenfliegen so bleibt, wie es ist und sich nicht auch hier der von manchen Forumschreibern mit aller Vehemenz angestrebte "Ansatz der Verfahrensstandardisierung und der Operationalisierung aller denkbaren Eventualitäten" durchsetzt ;-)
      Jörg, das ist doch nicht digital! Was die Verkehrsfliegerei angeht, ist m.E. unbestreitbar, daß dieser Ansatz einen unglaublichen Sicherheitsgewinn seit beispielsweise den 60er-Jahren gebracht hat. Er hat aber auch Nachteile! Warum ist es so schwer, die Dinge in ihren Nuancen, Schattierungen und auch Widersprüchlichkeiten zu sehen? Man stößt immer von verschiedenen Seiten an Grenzen - so ist das nunmal im Leben!

      Außerdem ist das schon eine arge Karikatur, die Du da von der Diskussion im "Duddefliecher"-Thread zeichnest. Ich wüßte nicht, wer dort nach Verfahrensstandardisierung als alleinseligmachender Weisheit ruft. Dir paßt die ganze Diskussion nicht, das verstehe ich schon. Aber Du kannst doch besser argumentieren, als sie nur bis zur Unkenntlichkeit zum Popanz aufzublasen und dann mit billiger Rhetorik ad absurdum zu führen. Überlaß sowas doch besser Grünschnäbeln wie Swift.

      Gruß Rüdiger

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        #18
        AW: unglaublich....

        Was soll man viel rumrätseln.

        Der Copilot war (laut Bericht) nicht angeschnallt und ist nach vorn gegen die Steuersäule gerutscht.
        Offensichtlich war er damit in einer so misslichen Lage, dass er überhaupt nichts mehr vernünftig handhaben konnte.

        Da kann man nur sagen „Shit Happens“.

        Was die Fähigkeiten der Verkehrspiloten angeht, die Kaufleute bei den Airlines sorgen schon dafür, dass die Piloten nichts lernen, was nicht (unbedingt) zum Fliegen eines Verkehrsflugzeuges notwendig wäre.

        Dabei wird viel auswendiggelernt, aber da das auch eine Gefahr darstellen kann, wird so viel wie möglich mit Checklisten abgearbeitet.
        Diese wiederum sind so umfangreich der Zahl nach, dass man im (Simulator)- Training nicht jede verkorkste Situation, wie einen nicht angeschnallten Copiloten, durchspielen kann.

        Aber zwei Dinge gibt es nicht:

        Zum Ersten, der High Speed Stall ist kein Stall wie der Low-Speed-Stall, sondern eine Strömungsablösung bei hoher Machzahl, die Beschädigungen hervorrufen kann, aber das Flugzeug stürzt nicht direkt ab.
        Das ist ein Märchen.

        Das zweite, was es nicht geben sollte oder eigentlich nicht geben kann, ist ein Absturz wegen nicht funktionierendem Speed-Sensor.
        Genau mitten im Panel vor den Nasen der Piloten ist der „Künstliche Horizont“. Dieser ist 3 x vorhanden, immer.

        Egel, welches Verkehrs-Flugzeug, immer zeigt der Horizont die Lage des Flugzeuges „im Raum“ an, besonders aber den Anstellwinkel zum Horizont.

        Mit dem Anstellwinkel, „Attitude“ genannt, hat aber der Pilot auch ein ziemlich gutes Maß für die Geschwindigkeit, denn im Bereich, der für das Fliegen im Normalzustand wichtig ist, ist die Anzeige gespreizt.

        Das bedeutet, dass jeder Pilot für den normalen Geschwindigkeitsbereich, wo das Flugzeug „safe“ fliegt, einen Anstellwinkel von 2 ° bis ca. 5 ° und darüber hinaus hat, den er direkt sehen kann (je nach Klappenstellung, Gewicht, Höhe usw.),
        und der ein direktes Maß für die Geschwindigkeit ist.
        Bei schwerer Turbulenz, wo die Geschwindigkeitsmesser sowieso schlecht anzeigen, „muss“ er sogar „Attitude“ fliegen.
        Das Gerücht, z.B. von Niki Lauda verbreitet, ohne Geschwindigkeitsmesser sei ein Verkehrsflugzeug unfliegbar, ist schlicht Unfug.

        Für die genaue Grad-Zahl gibt es in den Handbüchern jedes Flugzeuges sogar eine Tabelle, eben damit man im Notfall nicht raten muss.
        Wegen der erwähnten Spreizung der Anzeige des Künstlichen Horizontes ist der Anstellwinkel sehr gut ablesbar.

        Aber auch ohne Tabelle sollte jeder Pilot die ungefähr richtige Attitude und damit die ungefär richtigen Speed fliegen können, jedenfalls ohne abzustürzen.

        Im Übrigen ist es schon so, wie „ruewa“ richtig schreibt, dass innerhalb der Verkehrspiloten-Kreise diese Dinge ständig diskutiert werden.
        Nur muss man daraus nicht gleich schließen, sie hätten wenig Ahnung oder Übung im/vom Fliegen.
        Es wird bloß über die Maßen „verwissenschaftlicht“.
        Zuletzt geändert von Cacao; 15.01.2011, 17:11.

        Kommentar


          #19
          AW: unglaublich....

          Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
          Aber Du kannst doch besser argumentieren,
          Ich will aber nicht (mehr) ;-)
          Perlen vor die Säue... (damit meine ich nicht Dich)

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            #20
            AW: unglaublich....

            Wen es interessiert: Hier der (englischsprachige) Abschlußbericht der russischen Flugunfalluntersuchungsstelle zum Absturz der polnischen Präsidentenmaschine bei Smolensk. Darüberhinaus hat die MAK eine Videorekonstruktion der letzten halben Stunde des Fluges erstellt.

            Eine bemerkenswert detailreiche und differenzierte Analyse der Ursachen, die zu dem Absturz geführt haben. Und wie üblich bleibt natürlich kaum etwas übrig von der landauf, landab in den Medien kolportierten Verballhornung, der besoffene Luftwaffenchef habe die Piloten zur Landung "gezwungen". Stattdessen analysiert der Bericht eindrucksvoll den psychologischen Druck, dem sich die Crew nicht zu entziehen vermochte und der in den letzten Sekunden nahezu bis zur Handlungsunfähigkeit anwuchs.

            Man sollte erwarten, die Piloten der Präsidentenmaschine rekrutierten sich aus der fliegerischen Elite des Landes bzw. der polnischen Luftwaffe. Umso mehr erstaunt, was die Untersuchung zutage gefördert hat: Die gesamte Crew war vergleichsweise unerfahren und schlecht ausgebildet. Fortlaufendes Simulatortraining wie in der Zivilluftfahrt eigentlich üblich hatten die Piloten nie absolviert, der ständige Wechsel von Aufgaben und Flugzeugtypen in ihrem Dienstalltag hat die Ausbildung routinierter Handlungsabläufe und spezifischer Flugzeugkenntnisse behindert, Standardkonzepte wie das Crew Resource Management, das die Arbeitsteilung im Cockpit regelt, wurden kaum ansatzweise umgesetzt, die Schlechtwetterfreigabe des Kapitäns basierte auf einem getürkten Nachweisflug bei in Wirklichkeit unproblematischen Bedingungen, sein letzter Flug unter meteorologisch anspruchsvollen Bedingungen lag 5 Monate zurück. Außer dem Kapitän verfügte kein Besatzungsmitglied über funktaugliche russische Sprachkenntnisse, was gegen alle Prinzipien des arbeitsteiligen Cockpits fast alle Arbeitsbelastung auf ihn konzentrierte. Der Flug war schlecht vorbereitet, nicht einmal eine Wettervorhersage des Zielgebiets war vor dem Start eingeholt worden. Die Besatzung wählte für ihren Flugplan einen Ausweichflugplatz, der an jenem Wochenende gar nicht in Betrieb war, die Anflugkarten waren veraltet, russische Angebote, aktuelle Karten und einen ortskundigen Navigator zu entsenden, wurden im Vorfeld ignoriert. Die Terraindaten waren nicht in die Datenbank des Bordcomputers eingepflegt. Der Militärplatz verfügte über kein Instrumentenlandesystem, über andere Möglichkeiten der Radarführung war die Besatzung offenbar nicht informiert und hat sie nicht angefordert, den Controllern andererseits aber auch nicht mitgeteilt, welche Anflugmethode sie eigentlich gewählt hat. Die Sichtbedingungen waren weit unterhalb aller zulässigen Minima, die Crew wurde darüber mehrfach informiert und hat dies ignoriert. Während des gesamten Endanflugs drängten sich der (alkoholisierte) Luftwaffenchef (und somit oberste Vorgesetzte der Militärpiloten) und der Protokollchef des Präsidenten im Cockpit und plauderten munter darüber, wozu Landeklappen gut seien...

            Auch für unsereinen lehrreich finde ich, auf welche Weise Sicherheitsstandards sukzessive zusammenbrechen. Die urspüngliche Planung des Piloten sah einen Probeanflug und ggfls. das Durchstarten bei einer Entscheidungshöhe von 100 m vor. Der psychologische Druck auf den Piloten und die Anwesenheit seines Oberkommandeurs im Cockpit führte dazu, daß er die Entscheidung hinausschob. Dies hätte aber eine alternative Planung (Neudefinition der Go-Around-Kriterien) notwendig gemacht, für die keine Zeit mehr blieb. D.h. von diesem kritischen Zeitpunkt an gab es schlichtweg keinen Plan mehr. Ein anderer Faktor war, daß der Sinkflug zu spät eingeleitet wurde und sich die Maschine weit oberhalb des Gleitpfades befand. Um dies zu korrigieren leitete der Kapitän einen exzessiven Sinkflug (ca. 8 m/s statt wie üblich 4 m/s) ein und verlor in der späteren Anspannung diesen Aspekt aus dem Auge. Am Ende scheint er nur noch angestrengt in den Nebel hinausgeschaut zu haben und keinem Besatzungsmitglied ist mehr aufgefallen, daß die Maschine in der Bodensenke vor dem Flugplatz bereits unter die Pistenhöhe abgetaucht war, während der Navigator die trügerische Radarhöhe über der 80 m tiefen Senke ausrief.

            Allgemeiner betrachtet liegt hier ein Teufelskreis: Man gibt einen vorgefaßten Plan auf, hat aber keinen neuen. Das steigert die Anspannung, man konzentriert sich auf eine Wunscherwartung (die Bodensicht wird gleich kommen) und verliert den Überblick. Am Ende steht die Handlungsunfähigkeit: Auf die computergenerierte Kollisionswarnung "Terrain. Pull-Up!" hat die Besatzung 12 Sekunden lang nicht reagiert, wohl interpretationsunfähig, ob dies nun eine reale Gefahr anzeigt oder nur Konsequenz ihrer völlig unangemessenen Vorgehensweise ist und sie doch zufällig genau über der Landebahn herauskämen. Als dann die erste Bodensicht im starken Sinkflug bei nunmehr ansteigendem Gelände zustandekam, war es zu spät...

            Dieser fatale Mechanismus betrifft bei weitem nicht nur Clipperkapitäne und Präsidentenkutscher. Wer hat nicht schon mal spontan vernunftdiktierte Vorsätze und tradierte Grenzziehungen über den Haufen geschmissen, weil im Moment noch genügend Reserve vorhanden ist? Aber welche Grenze wird man nun als Nächstes definitiv respektieren? Jetzt müßte dies und jenes kommen. Es müßte gehen - es sollte gehen - es könnte gehen - es wird eng. Wo ist der Punkt, an dem man (erst leise, noch konsequenzlos) beginnt, den Überblick zu verlieren?

            Gruß Rüdiger

            Kommentar


              #21
              AW: unglaublich....

              Warum regen sich die Polen aber so künstlich auf, obwohl der Sachverhalt so klar ist wie selten ? Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Polen gegen jede Wunschvorstellung einsehen müssen, dass nicht nur ein furchtbares Unglück geschehen ist, sondern sie selbst noch ordentlich dazu beigetragen haben.
              Dass schmerzt schon mal doppelt.

              Da Polen aber auch NATO Mitglied ist, und in diesem militärischen Bündnis gern ernst genommen werden möchte, ist es doppelt übel, dass der Flieger ein Militär-Flugzeug war, wobei zu allem Elend der Kommandeur der Luftstreitkräfte eine offensichtlich entscheidende negative Rolle gespielt hat.

              Dann war das technische Material russisch, wen auch falsch gehandhabt.
              Und nun die Russen,
              die sowieso Gegner der NATO waren, was die Vergangenheit angeht, und sie heute auch nicht heiß und innig lieben, setzen dem ganzen Kladderadatsch noch die Krone auf.

              Indem sie in ihre Untersuchung des Unglücks noch genüsslich alle Fehler, die die Polen gemacht haben, ans Licht zerren, überschreiten sie die Grenze der Leidensfähigkeit beträchtlich.
              Da kocht die Volksseele, was man gut nachfühlen kann.
              Zuletzt geändert von Cacao; 15.01.2011, 18:43.

              Kommentar


                #22
                AW: unglaublich....

                Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
                Darüberhinaus hat die MAK eine Videorekonstruktion der letzten halben Stunde des Fluges erstellt.
                Inklusive der Todesschreie der Piloten am Ende, toll! Wer's mag, mir hat das den Abend verdorben. Schon hart so etwas zu veröffentlichen.

                -Klaus
                skyfool.de / PARAGLIDING, PARAMOTORING AND MORE

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                  #23
                  AW: unglaublich....

                  Hallo Cacao,

                  nur daß die Untersuchungskommission für die Befindlichkeiten der "Volksseele" nicht verantwortlich ist. Die hat einfach professionell gearbeitet, wie andere Flugunfalluntersuchungsstellen rund um den Erdball auch.

                  In der öffentlichen Rezeption geht es vorrangig um die Frage der "Schuld" - aber das ist nicht der Fokus einer Unfalluntersuchung. Die sucht vielmehr nach Ursachen, beitragenden Faktoren und Möglichkeiten, derartige Unfälle in Zukunft zu vermeiden. Natürlich ist es blamabel, wenn eine russische Kommission der polnischen Militärelite empfiehlt, ihre Vorzeigepiloten erstmal im Simulator üben zu lassen. Aber in der Sache?

                  Nur das Video anzusehen, ist, da hast Du recht, Klaus, in der Tat weder besonders sinnvoll, noch irgendwie lehrreich, bloß bequem. Zwangsläufig drängt sich der makabre Aspekt in den Vordergrund. Das kam mir offen gestanden gar nicht in den Sinn, denn ich hatte stattdessen zuerst den Bericht gelesen. Die entscheidende Erkenntnis entgeht einem allerdings, wenn man sich diese Mühe nicht macht. Aber die ist m.E. verallgemeinerbar. Deshalb lohnt es sich schon, sich damit zu beschäftigen.

                  Wenn man sich fragt, ob es beim Absturz der polnischen Regierungsmaschine einen klar identifizierbaren Punkt gab, von dem an die Dinge aus dem Ruder liefen, wird man sicherlich an mehreren Stellen fündig. Der Anflug hätte erst gar nicht versucht werden sollen, da die Sichtminima eindeutig weit unterschritten waren und diese Information von mehreren Seiten unmißverständlich gegeben war. Aber der wirklich kritische Moment war gekommen, als die Crew die geplante Entscheidung zum Durchstarten in 100 m Höhe verstreichen ließ. Danach verschlechterten sich die Dinge kontinuierlich und alle Versäumnisse, z.B. das Nichtwissen, daß man gerade ein Tal überfliegt, konvergierten hin zum fatalen Ergebnis. Doch tatsächlich hatte sich an diesem Punkt in 100 m Höhe noch etwas anderes verändert, und zwar schlagartig, war qualitativ umgekippt, ohne daß dies den Piloten bewußt geworden wäre: Zuvor hatte es Abbruchkriterien, einen Plan gegeben, der wurde spontan verworfen, und danach gab es keinen Plan mehr. Danach hatten die Insassen nur noch 20 Sekunden zu leben, aber die Geschwindigkeit, in der sich das abspielte, ist, glaube ich, nicht der wesentliche Aspekt. Das eigentlich Fatale war: Danach gab es keinen greifbaren Moment mehr, der eine (Abbruch-) Entscheidung getriggert hätte. Die Dinge verschlechterten sich zusehends, aber sie verschlechterten sich kontinuierlich, eben nicht in identifizierbaren Stufen. Eine solche Stufe hätten sich die Piloten sozusagen künstlich schaffen müssen, indem sie nämlich neue Abbruchkriterien hätten definieren müssen. Doch dafür hatten sie in der Anspannung weder die zeitlichen noch mentalen Kapazitäten übrig. Man kann Wasser unterkühlen, ohne daß es seinen Aggregatzustand ändert und zu Eis erstarrt. Es braucht erst einen Kristallisationskeim, um das System "umschlagen" zu lassen. Die Piloten der polnischen Air Force 101 fanden keinen "Kristallisationskeim" für die Entscheidung, durchzustarten.

                  Was ist daran verallgemeinerbar? Vor drei Jahren flog eine Traube von Gleitschirmfliegern bei der WM in Australien unter eine sich aufbauende Gewitterwolke. Ein Chinese bezahlte diesen Flug mit dem Leben, Ewa kam damals mit knapper Not davon. Bald darauf kursierten Photos, die den Pulk unter jener rabenschwarzen Wolke zeigten und viele Leute, auch in diesem Forum, äußerten ihr völliges Unverständnis angesichts dieser Bilder. Ich glaube, damals ist etwas ganz ähnliches passiert: Man verwirft eine Standardentscheidung und meint, ein überschau- und beherrschbares Risiko im Moment noch eingehen zu können. Danach verschlechtern sich die Bedingungen stetig, aber es kommt lange Zeit zu keinem signifikanten Ereignis, das eine Abbruchentscheidung anstoßen würde. Von Moment zu Moment ändert sich wenig, auch wenn man längst begriffen hat, daß die Entwicklung insgesamt gesehen nicht gut ist. Es braucht, bildlich gesprochen, den Blitz in der Nähe, um das mentale Umschalten zu triggern.

                  Es sind noch viel alltäglichere Situationen denkbar, wir alle sind in Gefahr, diesem Mechanismus auf welcher Ebene auch immer aufzusitzen. Dagegen hilft nur, sich damit auseinanderzusetzen, sich diese Mechanismen bewußt zu machen. Deshalb meine ich, daß die aufmerksame Beschäftigung mit solchen Unfallberichten auch für uns, die wir uns in einem fliegerisch viel trivialeren Universum bewegen, sinnvoll und wichtig ist.

                  Auch auf die Gefahr hin, daß uns das "den Abend verdirbt"...

                  Gruß Rüdiger
                  Zuletzt geändert von ruewa; 16.01.2011, 04:57.

                  Kommentar


                    #24
                    AW: unglaublich....

                    Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
                    Es sind noch viel alltäglichere Situationen denkbar, wir alle sind in Gefahr, diesem Mechanismus auf welcher Ebene auch immer aufzusitzen. Dagegen hilft nur, sich damit auseinanderzusetzen, sich diese Mechanismen bewußt zu machen. Deshalb meine ich, daß die aufmerksame Beschäftigung mit solchen Unfallberichten auch für uns, die wir uns in einem fliegerisch viel trivialeren Universum bewegen, sinnvoll und wichtig ist.

                    Auch auf die Gefahr hin, daß uns das "den Abend verdirbt"...

                    Gruß Rüdiger
                    Es ist in der Tat so, wie du schreibst.
                    Normalerweise darf ein Anflug gar nicht versucht werden, wenn das tatsächliche Wetter, die Minima, so stark abweichen von den zulässigen Minima für das Flugzeug.
                    Besser noch, man hätte gar nicht losfliegen dürfen.
                    Ein Oberkommandierender einer Luftwaffe kann natürlich Befehle erteilen und hat es wohl auch getan, einen Anflug zu versuchen.
                    Bei einem westlichen Verkehrs-Flug, zum Westen wollen die Polen ja gehören, würde ein sogenannter Decision Point (Hight) festgelegt, wo ein Anflug abzubrechen ist.
                    Das ist schon deshalb notwendig, weil bei einer Verkehrsmaschine zwei Piloten im Cockpit sitzen, die zusammenarbeiten müssen.
                    Der Abflug nach Abbruch eines Anfluges kann ja auch erhebliche Gefahren beinhalten. Wenn der nicht fliegende Pilot erst lansam anfangen müsste sich damit zu beschäftigen, könnte es auch da schon zu spät sein.
                    Würde der Decision Point nicht festgelegt, wüsste der zweite Pilot gar nicht, was der fliegende Pilot vorhat.
                    Das ergäbe eine „Ein Mann Show“, die vorhandene Arbeits-Kapazität der beiden Piloten wäre auf die Hälfte reduziert.
                    Man könnte auch sagen, das Geld für den zweiten Piloten ist zum Fenster hinaus geschmissen.
                    Um das zu vermeiden, wird extra ein Training, das zur Pilotenausbildung gehört, absolviert. Es nennt sich CCC gleich Crew Coordination Conzept, allerdings gibt es das auch in anderen Berufen.

                    Wie weit der Oberkommandierende General nun seinerseits unter Druck stand, weil der Staatspräsident ihn „im Nacken saß“, dass kann man sich leicht ausmalen.
                    Ebenso kann man sich ausmalen, dass jetzt, unabhängig von dem, was noch veröffentlicht wird, praktisch die gesamte Luftwaffe neu organisiert werden muss, einschließlich des Trainings der Piloten von Grund auf.

                    Letztlich ist es ein Non-precision-approach ohne Instrumente gewesen. Ein ungeplanter Selbstmord.
                    Zuletzt geändert von Cacao; 16.01.2011, 11:36.

                    Kommentar


                      #25
                      AW: unglaublich....

                      Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
                      ... Es braucht erst einen Kristallisationskeim, um das System "umschlagen" zu lassen. ...
                      Interessanter Beitrag !

                      Ich spreche gern in solch einem Zusammenhang von Doppelfehlern die zu einem fatalen Ende führen. Der erste Fehler ist der in eine Gefahrensituation zu kommen - (das kann jedem passieren) - der zweite und damit fatale Fehler ist der, das nicht zu erkennen bzw. zu handeln.

                      Auf uns Flieger übertragen könnte das heißen den "Kristallationskeim" mental in unser Hirn zu legen. Ähnlich wie wenn man mental übt die Rettung zu ziehen, gilt es eine Gefahrensituation nicht nur zu erkennen sondern auch zu akzeptieren und zum Handeln zu zwingen.

                      Nachdenklich ...
                      Bernd
                      Zuletzt geändert von jumbo; 16.01.2011, 11:39.

                      Kommentar


                        #26
                        AW: unglaublich....

                        Zitat von Cacao Beitrag anzeigen
                        [FONT=Tahoma]

                        Der Copilot war (laut Bericht) nicht angeschnallt und ist nach vorn gegen die Steuersäule gerutscht.
                        Offensichtlich war er damit in einer so misslichen Lage, dass er überhaupt nichts mehr vernünftig handhaben konnte.

                        Vorweg: Ich kenne mich überhaupt nicht aus in den Regularien, aber irgendwie glaube ich mal gehört zu haben, dass doch zumindest einer der beiden Piloten im Cockpit angeschnallt sein MUSS?

                        Das einfache Beachten dieser Regel(?) hätte den ganzen Zwischenfall verhindert...

                        Greetz,
                        kai

                        Kommentar


                          #27
                          AW: unglaublich....

                          Ach, Swiftel, mir scheint

                          Zitat von Swift Beitrag anzeigen
                          Für Fanatiker wie Dich ... sind halt einfach alle, die anders denken ...
                          Zitat von Swift
                          Schaumschläger
                          Zitat von Swift Beitrag anzeigen
                          Du bist mit Verlaub ein fliegerischer Dünnbrettbohrer
                          Zitat von Swift
                          trotz Deiner irrwitzigen Schreiberereien
                          Zitat von Swift Beitrag anzeigen
                          Deine kranken Ergüsse
                          Zitat von Swift Beitrag anzeigen
                          (sind) genauso - sagen wir mal intelligent - wie Du selbst.

                          Kommentar


                            #28
                            AW: unglaublich....

                            @ruewa : ganz ganz grosses kino, applaus
                            Fliegen gehen ist ein Segen, tut man nicht nach Punkten Streben

                            Kommentar


                              #29
                              AW: unglaublich....

                              Zitat von ruewa Beitrag anzeigen
                              Ach, Swiftel, mir scheint

                              Zitat von Swift
                              Für Fanatiker wie Dich ... sind halt einfach alle, die anders denken ... Schaumschläger ... Du bist mit Verlaub ein fliegerischer Dünnbrettbohrer ... trotz Deiner irrwitzigen Schreiberereien ... Deine kranken Ergüsse ... (sind) genauso - sagen wir mal intelligent - wie Du selbst.
                              ..., dass Alles was Sie aussagen ... auch gegen Sie verwendet werden kann...

                              LG Jochen
                              ambitionierter Sonntagsflieger

                              Kommentar


                                #30
                                AW: unglaublich....

                                Zitat von KaiS Beitrag anzeigen
                                Vorweg: Ich kenne mich überhaupt nicht aus in den Regularien, aber irgendwie glaube ich mal gehört zu haben, dass doch zumindest einer der beiden Piloten im Cockpit angeschnallt sein MUSS?

                                Das einfache Beachten dieser Regel(?) hätte den ganzen Zwischenfall verhindert...

                                Greetz,
                                kai
                                LuftBO:
                                § 33 Verhalten der Besatzung im Flugbetrieb

                                Die Besatzungsmitglieder müssen sich während des Starts und der Landung auf ihrem Platz befinden und durch Anschnallgurte gesichert sein. Für die diensthabenden Mitglieder der Flugbesatzung gilt dies auch während des Fluges. Sie dürfen ihren Platz während des Fluges nur verlassen, wenn es zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendig oder aus sonstigen Gründen unvermeidbar ist und die sichere Durchführung des Fluges nicht beeinträchtigt

                                Ganz einfach also. Diensthabend sind alle im Cockpit.
                                Es gilt also auch für Flugbegleiter/innen bei Start und Landung, im Flug dann nicht mehr.
                                Sich vorsorglich anzuschnallen wird auch den Passagieren empfohlen, wann immer es geht….wir wissen ja , warum.. . wegen der unverhofften „Luftlöcher“, die uns auch am GS ab und zu zu schaffen machen… oder… gibt es die überhaupt…. (Downdraft , Downwash, Updraft, Windshear , Strong or Gusty Winds Mountain Waves, Sea Breeze Circulations, Unknown Causes, Thunderstorms, Frontal Systems,Horizontal Vortex, im Englischen gibt es richtig viele Ausdrücke dafür).
                                Zuletzt geändert von Cacao; 19.01.2011, 16:11.

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