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Sagen und Legenden um das Gleitschirm/Drachenfliegen

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    #16
    AW: Sagen und Legenden um das Gleitschirm/Drachenfliegen

    (Posting 3 von 3)


    Nur wenig später war die Stunde gekommen, in welcher man der Hilfe des jungen Wanderes bedurfte. Den Tag zuvor hatte der alte Mann vor der Hütte verbracht, lief dort auf und ab, während er die Wolken am Himmel studierte. Hin und wieder stapfte er durch den Schnee und kletterte auf eine kleine Anhöhe in der Nähe, streckte seine Hände in die Luft, die Handflächen gegen den Wind, wartete ab, kehrte zurück, blickte in den Himmel, verschwand kurz auf dem Dachboden seiner Hütte, wo man ihn räumen und kramen hörte, eilte wieder nach draußen und schaute zum Himmel hinauf. Jedes Angebot unseres jungen Freundes helfen zu können schlug der alte Mann aus und brummelte nur „Morgen. Morgen musst du mir helfen.“ Da zuckte unser Wanderer schließlich mit den Schultern, setzte sich auf die Schwelle der kleinen Hütte und beobachtete das seltsame Treiben des alten Mannes. Es war noch immer bitterkalt. Ein eisiger Wind wehte das Tal hinunter und trieb kleine Schneeflocken vor sich her und alles zusammen machte den Eindruck, als wolle der Winter in diesem Frühjahr kein Ende nehmen. Doch dieser Eindruck täuschte.

    Es war weit vor Sonnenaufgang, als unser junger Freund von dem alten Mann geweckt wurde. „Rasch! Steh auf!“ Kurz danach standen beide vor der Hütte, und während sich der eine seine verschlafenen Augen rieb, hastete der andere auf die kleine Anhöhe um seine Handflächen in den Wind zu halten. „Es geht gleich los! Wir müssen uns beeilen!“ Der alte Mann stapfte geschwind zur Hütte zurück, zog unseren Reisenden am Ärmel, flüsterte „Komm!“ und ging mit ihm um die Hütte herum. Dort befand sich ein mannshoher, mit einem Holzriegel verschlossener Verschlag. Der alte Mann öffnete die Tür, verschwand darin und holte schließlich lange, stabile Holzstangen, dicke Knäuel kräftiger Kordel und einen dicken Stapel derber Leinentücher daraus hervor und legte sie auf den gefrorenen Boden. „Nimm mit, was du tragen kannst und folge mir.“ Da belud sich unser junger Freund mit allem was möglich war und stolperte hinter dem alten Mann her, auf die rechte Seite der Hütte.
    „Hier, hier und hier steckst du die Stangen rein“, wies ihn der alte Mann an und deutete auf Vertiefungen im Boden. Dann entfernte er sich schrittweise immer weiter von der Hütte, während er immer wieder nach unten deutete „und hier und hier und hier“, machte einen Satz im 90-Grad-Winkel, „und hier in der Reihe auch, bis dorthin.“, und zeigte auf eine kleine Mulde, 5 Meter von der Hütte entfernt. „Und beeil dich!“ Als unser junger Wanderer die Stangen nach Anweisung befestigt hatte, prüfte der alte Mann ihren festen Sitz im Erdreich und begann damit, die Stangen unten und oben mit der kräftigen Kordel zu verbinden. „Hilf mir!“, flüsterte er heiser und aufgeregt, „Wir müssen es richtig festziehen!“. Daraufhin verschwand er in seiner Hütte, und während unser junger Freund kopfkratzend ihre beinahe vollendete Konstruktion begutachtete, hörte er den alten Mann auf dem Dachboden rumoren und plötzlich wie unvermittelt ein lautes „Vorsicht!“. Da fuhr unser junger Wanderer erschrocken zusammen, drehte sich geschwind zur Hütte um und machte einen großen Sprung zur Seite. Denn mit einem lauten Knarzen und Krachen hatte sich die gesamte rechte Seite der Hütte gelöst, kippte erst langsam, dann immer schneller zur Seite und fiel schließlich scheppernd auf den harten Boden. Oben, auf dem auf einer ganzen Seite nun offenen Dachboden, stand der alte Mann, rieb sich lachend die Hände, winkte herunter und rief: „Alles in Ordnung da unten?“ Unser junger Freund war blass, der Schreck ihm in die Knochen gefahren, und so nickte er zögerlich. „Gut!“, krächzte der alte Mann, „Dann befestige jetzt die Tücher an den Leinen zwischen den Stangen. Und binde sie so fest, als sollten sie sich niemals wieder lösen. Beeil dich! Wir haben keine Zeit mehr!“ Da sputete sich unser junger Freund, zurrte hier, schlaufte dort, prüfte seine Knoten und Verbindungen, zog und zerrte und gab sich seine allergrößte Mühe, dem Befehl des alten Mannes gerecht zu werden. Als er seine Arbeit getan hatte und mit ihr nicht unzufrieden war, trat er ein paar Schritte zurück, um sein … doch da rief der Alte schon aufgeregt mit seiner krächzenden, heiseren Stimme aus der Öffnung seines Dachbodens, während er mit ausgestrecktem Arm auf den Horizont deutete:
    „Jetzt geht es los!“

    Unser junger Wanderer wandte seinen Kopf und schaute in die Richtung, in die der alte Mann zeigte, doch was ihm in diesem Moment zuerst auffiel, war, dass der Wind vollkommen nachgelassen hatte. Das seit Monaten mal sanfte, mal tosende Heulen der eiskalten Luft, die schier endlos das Tal hinunterwehte, war schlagartig verstummt, wich einer ungewohnten, gar unheimlichen Stille. Und während die Welt offensichtlich den Atem anhielt, erstrahlte der Himmel über ihren Köpfen in den ersten zarten Rottönen des nahenden Sonnenaufgangs. Über dieser Stille jedoch lag eine kaum greifbare Unruhe, wie ein magnetisches Vibrieren durchdrang sie jede Faser und jeden Stein, machte nervös, ohne wissen zu lassen warum. Doch aus diesem ungreifbaren Gefühl wurde nun ein weit entferntes, deutlich hörbares Dröhnen. Und je mehr der Himmel im roten und orangen Licht dieses neuen Tages erstrahlte, desto näher schien dieses Dröhnen und Donnern zu kommen, sich rasch das Tal hinaufzubewegen, wurde lauter und lauter, steigerte sich zu einem Fauchen, Brüllen, gefolgt von einem mächtigen Schlag, der wie ein Erdbeben das ganze Tal erfasste. Da brach der Sturm los, der erste Frühlingssturm! Die erste laue Luft des Jahres fegte mit unbändiger Kraft endlich durch das gefrorene Tal, begann augenblicklich damit den Schnee anzutauen, als wolle sie sagen: „Seht her! Die Tage des Winters sind vorbei!“ Es war genau jene laue Luft, die uns nach einem viel zu langem und kaltem Winter die Nase kitzelt, uns die Wangen streichelt und dabei mit jeder Böe raunt, dass die Urgewalten des Lebens nun nicht mehr aufzuhalten sind. Es ist das Versprechen des Frühlings. Und dieser Sturm des Lebens stürmte nun mit solcher Macht in das gefrorene Tal hinein, dicht gefolgt vom Licht einer aufgehenden Sonne, sodass der alte Mann und unser junger Freund in Ehrfurcht erstarrt innehielten. Doch dieser Moment währte nur kurz, denn schon rief der Alte von oben herab, gegen den tosenden, warmen Wind, in den brausenden Sturm hinein: „Achte darauf, dass sich da unten nichts löst! Achte darauf, dass uns die Tücher und Seile nicht reißen und die Stangen nicht brechen!“
    Erst da wurde unserem jungen Wanderer bewusst, was sie dort neben der Hütte, noch in der Dunkelheit der soeben vergangenen Nacht aufgebaut hatten. Es war ein Trichter, eine gewaltige Düse aus Leinentuch, Hanf und Holz, eine breit aufgestellte Bande, die den Sturm einfing, ihn konzentrierte und mit voller Kraft auf die kleine Hütte lenkte. In der Hütte selbst, auf dem Dachboden, saß nun der alte Mann im größten Sturm an seinem riesigen Webstuhl, an welchem viele Trichter in verschiedenen Größen und Formen, und daran wiederum Schläuche und Rohre angebracht waren, die den Wind auffingen, leiteten und zu den wirbelnden Webschlitten führten. Der alte Mann trat die Pedale des Webstuhls wie der Teufel, seine Hände flogen umher, ordneten unsichtbare Kettfäden, jagten den Schützen durch das pendelnde Fach in einer Geschwindigkeit, dass jedem Beobachter dabei schwindelig geworden wäre. Der Sturm dröhnte und fauchte, die kleine Hütte erzitterte bedrohlich und unser junger Freund hatte alle Hände voll zu tun, denn der Wind war so stark, dass man jederzeit damit rechnen musste, dass die gesamte Kanalisierungsanlage für den Sturm fortgerissen wurde. So rannte er umher, hielt die Stangen fest, prüfte die Knoten, zog sie fester, hing sich während den stärksten Böen an die Leinen, so dass sie tief in seine Hände schnitten, lehnte sich mit aller Kraft gegen die im Sturm wild schlagenden, wehenden Tücher, um ihr Zerreißen zu verhindern, während die Luft dröhnte und der Webstuhl klackerte und surrte. So ging es Stunde um Stunde, die Wolken flogen über den Himmel, die Stangen der Tücher ächzten unter der Last des gewaltigen Sturmes, die Haut an den Händen unseres jungen Freundes war aufgerissen, blutverschmiert, seine Muskeln schmerzten vor Anstrengung, brannten wie Feuer und der Schweiß lief ihm in Bächen über seinen Rücken, die Beine hinab bis in seine Schuhe. Blass vor Erschöpfung und mit windzerzaustem Haar blickt er hin und wieder sorgenvoll zu dem alten Mann an seinem Webstuhl hinauf, der jedoch ohne Unterlass, mit wehender Kleidung und wie besessen die hölzerne Maschine bediente. Als die Sonne sich bereits dem Horizont näherte und die Nacht herbeirief, als die Kräfte unseres jungen Wanderers bedrohlich nachließen und beinahe bis auf das Letzte aufgebraucht waren, als er nahezu taub war vom Getöse dieses Tages, da brach eine letzte, gewaltige Böe sämtliche Stangen entzwei, riss die Leinentücher aus ihren Befestigungen und schleuderte sie heulend und brausend weit in das Tal hinunter.
    Dann war Stille. Eine so plötzliche Stille, dass man das Tropfen des Tauwassers erst nach dem dritten Hinhören erstaunt vernahm. Da sank unser junger Freund erschöpft zu Boden.

    Als er erwachte, lag er zusammengerollt neben einem knisternden Feuer auf dem Fußboden der Hütte, die Sonne schien durch das kleine Fenster neben der Tür. Seine Hände waren verbunden und jede Bewegung schmerzte ihn. Da streckte er sich vorsichtig, schloss seine Augen und überließ sich wieder einem traumlosen Schlaf. Beim nächsten Erwachen war es bereits Nacht. Neben ihm, auf der steinernen Einfassung der Feuerstelle, stand eine Schüssel mit einer dampfenden, kräftigen Suppe darin, die er – nachdem er sich mühselig aufgerichtet hatte – dankbar trank. Als er sich anschließend in der kleinen Hütte umsah, bemerkte er den alten Mann, der auf der Holzbank an dem kleinen Tisch saß und ihn vergnügt beobachtete. „Dank dir hatte ich den besten Wind, mit dem ich jemals weben durfte.“, flüsterte er. Und fügte hinzu: „Ruh dich jetzt aus.“ Das tat unser junger Freund, rollte sich wieder auf dem warmen Fußboden zusammen und schlief sofort ein.

    Er wusste nicht wie lange er geschlafen hatte, als er das nächste Mal erwachte. Draußen war es hell, aber unser junger Wanderer konnte nicht einschätzen, ob es früher Morgen oder ein später Nachmittag war, der sein Licht in die Hütte schickte. Das Feuer neben ihm war heruntergebrannt, bereits erloschen und ihm war kalt. Fröstelnd stand er auf, zog sich seine Decke eng um seine Schultern. Da bemerkte er, dass seine Hände verheilt und die Verbände entfernt waren. Sollte ich so lange geschlafen haben?, dachte er verblüfft. Und er bemerkte noch etwas, als er sich in der Hütte umgesehen, eine Weile in der Mitte stehen geblieben war und gelauscht hatte: Er spürte, dass er völlig alleine war. So setzte er sich auf den Stuhl an das erloschene Feuer und dachte nach, spürte, wie sein Herz von einer Traurigkeit ergriffen, und ihm die einst so vertraute Hütte plötzlich fremd wurde. Unser junger Freund erhob sich von seinem Stuhl, nahm die Decke von seinen Schultern, schlug sie ordentlich zusammen, strich die Falten glatt und legte sie auf den kleinen Tisch vor der Holzbank. Dann stieg er zum ersten Mal die kleine, schmale, geländerlose Treppe hinauf zum Dachboden, öffnete die Luke, blickte in eine staubige, schummrige Dunkelheit hinein, konnte schemenhaft die Umrisse dieses seltsamen Webstuhles erkennen. Und er erkannte noch etwas:
    Da lag ein Bündel auf einer Holztruhe in einer Ecke, silbrig leuchtend wie eine kleine, unscheinbare Wolke. Unser junger Freund hätte es beinahe übersehen, so wenig hob es sich durch seinen Glanz und seine kaum wahrnehmbare Struktur von seiner dämmrigen Umgebung ab. Neugierig trat er an dieses Bündel heran. Als er es erreicht hatte, weiteten sich seine Augen voller Ungläubigkeit. Es war beinahe unsichtbar. Er streckte seine Hand aus und berührte es vorsichtig. Strich mit seinen Fingern sanft über dieses wundervolle Gewebe. Weich fühlte es sich an, leicht, man spürte es gar nicht. Und trotzdem war es fest und so stabil, dass jede Berührung mit einem Flüstern beantwortet wurde, das liebevoll versprach, auf ewig zu halten und nie zu zerreißen. Da schossen heiße Tränen in die Augen unseres Wanderers und das Schlucken wurde ihm schwer, denn nun begriff er, was dort vor ihm lag. Er nahm das kaum spürbare Bündel, legte es auf den Boden und faltete es vorsichtig auseinander, merkte schnell, dass dieser Dachboden nicht ausreichte, um es vollständig zu entfalten, so riesig war das Tuch. Aber der Platz reichte, um silbrige, beinahe durchsichtige Schnüre erkennen zu lassen, welche mit dem Tuch verknotet, am Ende zu zwei Strängen zusammenliefen und an ein weiteres, kleines, ebenfalls durchsichtiges Tuch genäht waren, in welchem es sich wohl hervorragend sitzen ließ. Zitternd raffte unser junger Freund das Bündel zusammen, schloss es fest in seine Arme und rannte damit vor die Tür der kleinen Hütte.

    Die Luft war herrlich mild. Der Schnee floss in kleinen, sich windenden Rinnsalen und gurgelnden Bächen ins Tal hinab, beschienen von einer aufgehenden Sonne, die sich in den Tropfen und kleinen Strömen brach und funkelte. Liebevoll und vorsichtig breitete unser junger Freund das durchsichtig, silberne Tuch auf dem Hang vor der Hütte aus, wo es im sanften Wind liegenblieb und sich nicht bewegte, sortierte die Leinen, legte sie ordentlich am Fuße des Tuches aus, stieg in den gewebten Sitz, legte sich die gewebten Gurte über Schultern und Bauch, bevor er sie sorgsam verschloss, schaute prüfend in den Himmel und dann ins Tal hinunter, wandte sich ein letztes Mal zur Hütte um, blickte schließlich mit klopfendem Herzen geradeaus, in die Leere vor ihm, und tat das, was er sich tausendfach in seinen Träumen ausgemalt hatte seitdem er auf der Wiese an dieser gewaltigen Bergflanke gewesen war:

    Er zog seinen Schirm auf und flog.




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    Zuletzt geändert von Aeronaut; 29.04.2012, 20:12.

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