Zitat von JHG
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Ultraschnell auf jeden vertikalen Zucker im Zentimeterbereich reagieren können empfindliche Varios schon seit zwei Jahrzehnten, weshalb Filter entwickelt worden sind. Aber diese superempfindlichen Druckdosen stellen halt auch mehr Anforderungen an Driftkompensation, und sie sind ein klein wenig größer.
Die Idee hinter der Einbindung von Inertialsystemen besteht darin, (a) noch empfindlicher (schneller) zu werden und (b) per Lageanalyse ausrechnen zu können, ob die Bewegung die des Varios oder aber die des Gesamtsystems war. Interessant ist sowas bei kleinen Varios am Schultergurt oder Helm, nicht auf dem Cockpit - da ist die Bewegung des Varios nahe genug am Gesamtsystem. Vor allem vertikal.
Losgetreten hat das Ganze der XCTracer, der ja als ultraleicher Sensor beworben worden ist. Dann haben den die Piloten aufs Cockpit geklettet und von ihren positiven Erfahrungen berichtet. Gleichzeitig kursierten "Testvideos", bei denen XCTracer und andere Inertialsystem-basierte Instrumente am Küchentisch schnell hochgehoben wurden (was mit dem Geradeausflug in schwachen Bedingungen herzlich wenig zu tun hat). Spätestens da hätten sie aber einfach auch mal die Filter ihres ganz normalen Varios auf "empfindlich" stellen müssen, dann hätten sie sich gewundert...
Nun wird auch um so ein Inertialsystem viel herum gerechnet - sogar noch mehr, denn man hat es mit mehr Kennzahlen zu tun. Das wird dann herangezogen, um zu "beweisen", dass deren Filter irgendwie besser seien - sie sind aber bloß komplizierter. Die eigentliche Aufgabe, aus stochastischem Gezappel sinnvolle Vertikaländerungen eines im wirklichen Leben fliegenden Gleitschirms herauszurechnen, stellt sich auch für empfindliche Druckdosen mit hoher Auslesefrequenz - wir kennen am Markt welche mit +- 5cm alle Zweihundertstelsekunde - und sie wurde schon vor langer Zeit ziemlich gut gelöst.
Der Entwickler der GoFly-Varios (ich erwähne den ganz bewusst, weil sich die "Bastlerfraktion" so jemandem verbundener als profitgeilen Unternehmen, denen man eh nix glauben darf, fühlt), hat sich bei seiner 5er-Reihe ganz bewusst gegen Inertialsysteme entschieden, obwohl die viel billiger gewesen wären - statt dessen hat er zwei Druckdosen (eine mit 5Hz, eine mit 200Hz) kombiniert und einen eigenen Kalman-FIlter entwickelt. Weil das bessere Ergebnisse bringt. Vor Jahren hat mir ein Ingenieur des Weltmarktführers auf die Frage, wann sie Inertialsysteme einbauen, entnervt erklärt, dass man das eigentlich nicht wolle und schon gar nicht für sinnvoll halte, es aber von einer durch den XCTracer-Hype entfesselten, vorwiegend deutschen Klientel nun mal so gewollt sei
Der Entwickler eines der hardwaremäßig hochwertigsten Fluginstrumente überhaupt (Digifly Air), das seit vielen Jahren mit Inertialsystem gebaut wird, hat aufgrund des Feedbacks seiner PWC-Testpiloten eigens eine Option nachgerüstet, es abzuschalten...
Long story short: einige Hersteller wenden sich neuerdings wieder von Inertialsystemen ab, weil man sie zum besseren Auslesen der Luft einfach nicht braucht (wären sie Druckdosen überlegen oder auch bloß in der Lage, schlechte Druckdosen signifikant zu verbessern, wären Smartphones prima Fluginstrumente, denn die haben alle eines). Die Energie ist besser in fortgeschrittene Filter investiert, wozu man keine China-Chipsätze, sondern Mathematiker braucht - was freilich teurer ist. Die meisten Hersteller bleiben aber dabei, denn der Markt hat sich flächendeckend für ein billiges Surrogat begeistert, den Geist kriegt man nicht mehr in die Flasche zurück. Im Gegenteil, das Thema hat das Potential zum Glaubenskrieg
Wer natürlich die G-Messung braucht, um mit seinen Manövern rumzuprotzen (Good Luck BTW, denn praktisch keine Systeme außer dem SK2.0 packen die ins IGC, so dass man was Reelles rausmitteln könnte - die in den Geräten verzeichneten Spitzenwerte sind hingegen hanebüchener Unsinn), oder gar an den anderen Marketing-Gag "G-Alarm" glaubt, wird solche Sensoren weiterhin vermissen.
CU
Shoulders
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